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Leitsatz
- 1. Soweit in StGB § 240 N?tigungen mit dem Mittel der Gewalt unter Strafe gestellt werden, genügt die Normierung durch den Gesetzgeber dem aus GG Art. 103 Abs. 2 folgenden Bestimmtheitsgebot.
- Infolge Stimmengleichheit kann nicht festgestellt werden, da? das aus GG Art. 103 Abs. 2 herleitbare Analogieverbot verletzt wird, wenn Gerichte die Gewaltalternative des StGB § 240 auf Sitzdemonstrationen erstrecken, bei denen die Teilnehmer Zufahrten zu milit?rischen Einrichtungen ohne gewaltt?tiges Verhalten durch Verweilen auf der Fahrbahn versperren.
- 2. Die Verfassung gebietet nicht, die Teilnahme an derartigen Sitzdemonstrationen sanktionslos zu lassen. StGB § 240 ist jedoch in dem Sinne verfassungskonform auszulegen und anzuwenden, da? die Bejahung n?tigender Gewalt im Falle einer Erstreckung dieses Begriffs auf solche Sitzdemonstrationen nicht schon zugleich die Rechtswidrigkeit der Tat indiziert.
- Infolge Stimmengleichheit kann nicht festgestellt werden, da? es von Verfassungs wegen in der Regel zu beanstanden ist, wenn Strafgerichte Sitzdemonstrationen der genannten Art. unter Würdigung der jeweiligen Umst?nde als verwerflich im Sinne von StGB § 240 Abs. 2 beurteilen.
Orientierungssatz
- Vergleiche BGH, 2025-08-06, 2 StR 171/69, BGHSt 23, 46; Vergleiche KG Berlin, 2025-08-06, AR (B) 173/84-5 Ws (B) 331/84, NJW 1985, 209; Vergleiche OLG Düsseldorf, 2025-08-06, 2 Ss 334/85-196/85II, NJW 1986, 942; Vergleiche OLG Stuttgart, 2025-08-06, 1 Ausschl 1/84 A, NJW 1984, 1909; Vergleiche OLG K?ln, 2025-08-06, Ss 376/85, NStZ 1986, 30; Vergleiche OLG Koblenz, 2025-08-06, 1 Ss 171/85, NJW 1985, 2432; Vergleiche OLG Zweibrücken, 2025-08-06, 1 Ss 170/85, NJW 1986, 1055; Vergleiche BGH, 2025-08-06, 2 StR 565/85, NJW 1986, 1983.
Tenor
I.
Das Urteil des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 18. Juli 1984 - 2 Cs 14 Js 23383/83 - und der Beschlu? des Bayerischen Obersten Landgerichts vom 28. Januar 1985 - 5 St 373/84 - verletzen den Beschwerdeführer zu 6) in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Neu-Ulm zurückverwiesen.
Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer zu 6) die notwendigen Auslagen zu erstatten.
II.
Die Verfassungsbeschwerden der übrigen Beschwerdeführer werden zurückgewiesen.
Gründe
A.
Die Beschwerdeführer wenden sich dagegen, da? ihre Teilnahme an Sitzblockaden, die vor milit?rischen Einrichtungen stattfanden und sich gegen die Nachrüstung richteten, als strafbare N?tigung beurteilt worden ist.
I.
1.
Am 12. Dezember 1979 hatten die Au?en- und Verteidigungsminister von Mitgliedsstaaten der NATO in Brüssel einen "Doppelbeschlu?" gefa?t, wonach einerseits in bestimmten europ?ischen Staaten Mittelstreckenraketen mit nuklearen Gefechtsk?pfen stationiert und andererseits Verhandlungen der Vereinigten Staaten mit der Sowjetunion über eine Rüstungsbegrenzung auf dem Gebiet dieser Waffen unterstützt werden sollten. Als sich Mitte November 1983 die Genfer Rüstungskontrollverhandlungen nach zwei Jahren als ergebnislos erwiesen, begann in der Bundesrepublik die hier vorgesehene Stationierung von 108 Abschu?vorrichtungen für Pershing II-Raketen und von 96 bodengestützten Marschflugk?rpern (vgl. im einzelnen BVerfGE 66, 39 ff.).
Der NATO-Doppelbeschlu? war inner- und au?erhalb des Parlaments umstritten. Nach Meinung der Kritiker werde der ohnehin bedrohliche Rüstungswettlauf mit atomaren Waffen durch die Stationierung von Mittelstreckenraketen in gef?hrlicher Weise fortgesetzt. Diese wiesen eine ver?nderte Qualit?t mit destabilisieren der Wirkung auf, die durch das Risiko technischen und menschlichen Versagens noch erh?ht werde. Wegen der hohen Zielgenauigkeit, der kurzen Flug- und Vorwarnzeiten und der F?higkeit, das gegnerische Abwehrsystem zu unterlaufen, seien sie als Erstschlagwaffen geeignet; ihre Stationierung in Reichweite des Territoriums der Sowjetunion k?nne diese im Krisenfalle zu Pr?ventivschl?gen verleiten, wobei die Stationierungsgebiete als Zielscheiben besonders gef?hrdet seien.
2.
Am Protest gegen die atomare Rüstung beteiligten sich zahlreiche Gruppen und Anh?nger der Friedensbewegung. Sie veranstalteten Demonstrationen, Mahnwachen, Fastenaktionen, Gottesdienste, Unterschriftensammlungen und auch bundesweite Massenaktionen wie beispielsweise die Bonner Friedensdemonstration im Herbst 1981, die süddeutsche Menschenkette im Oktober 1983 sowie die Osterm?rsche des Jahres 1983.
Als sich dieser Protest als wirkungslos zu erweisen schien, kam es zunehmend zu Protestdemonstrationen, die in Gestalt von Stra?ensperren vor milit?rischen Einrichtungen durchgeführt wurden, wobei sich die Teilnehmer um die Vermeidung jeglicher Gewaltt?tigkeiten bemühten. W?hrend die Demonstranten diese Aktionen als "gewaltfreie symbolische Blockaden" verstanden, wurden sie in zahlreichen Verfahren als N?tigung mit dem Mittel der Gewalt beurteilt und aufgrund folgender Strafvorschrift angeklagt:
§ 240 StGB
(1) Wer einen anderen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung n?tigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, in besonders schweren F?llen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
Die Beurteilung der Blockaden als N?tigung knüpfte an die Rechtsprechung an, die den in dieser Strafvorschrift verwendeten Gewaltbegriff schrittweise ausgeweitet hatte: Anfangs hatten die Gerichte bevorzugt auf die Entfaltung k?rperlicher Kraft durch den T?ter abgestellt, sp?ter mehr auf eine Einwirkung auf den K?rper des Opfers und schlie?lich allgemein auf das Merkmal der Zwangseinwirkung, das der Bundesgerichtshof bereits im Jahre 1969 im Laepple-Urteil (BGHSt 23, 46) anl??lich von Protesten gegen Fahrpreiserh?hungen herausgearbeitet hatte. Danach n?tigt auch derjenige mit Gewalt, der psychischen Zwang ausübt, indem er auf den Gleisk?rper einer Stra?enbahn tritt und dadurch den Wagenführer zum Anhalten veranla?t (vgl. unten B II 3 a).
II.
1.
Die Sitzblockaden, deren Bestrafung Gegenstand der Verfassungsbeschwerden ist, haben sich in der Zeit zwischen Mitte 1981 bis Anfang 1984 zugetragen. In allen F?llen wurden Zufahrtsstra?en zu milit?rischen Einrichtungen durch mehrere, auf der Fahrbahn befindliche Personen versperrt, die von der Polizei nach vergeblicher Aufforderung zur R?umung ohne Gegenwehr fortgeschafft wurden. Zu Gewaltt?tigkeiten kam es nirgends. Art. und Dauer der Blockaden sowie die dadurch verursachten Behinderungen waren im übrigen unterschiedlich.
a) Das Verfahren 1 BvR 713/83 betrifft eine der ersten Blockadeaktionen am 13. Juli 1981 in Gro?engstingen, wo bereits damals amerikanische Lance-Raketen lagerten. Die beiden beschwerdeführenden Studenten zu 1) und 2) sowie elf weitere Angeh?rige einer Friedensgruppe lie?en sich nach vorheriger ?ffentlicher Ankündigung auf einer Zufahrtsstra?e zur Eberhard-Finckh-Kaserne etwa sieben Meter vor dem Haupteingang auf der gesamten Fahrbahnbreite zu einer unbefristeten Aktion nieder, nachdem sie sich zuvor untereinander und an Pfosten auf beiden Stra?enseiten angekettet hatten. Der Kommandeur der Kaserne lie? nach erfolgloser Aufforderung zur R?umung den Verkehr durch ein Seitentor umleiten. Die Demonstranten veranstalteten mit den anwesenden Journalisten eine Pressekonferenz, diskutierten mit Soldaten und setzten ihre Aktion bis zum folgenden Tag fort. Die vom Kommandeur herbeigeholte Polizei forderte schlie?lich die Demonstranten vergeblich zur R?umung auf und trug sie nach Durchschneiden der Kette zur Fahrbahnseite.
Das Amtsgericht - Jugendsch?ffengericht - Reutlingen sprach die Beschwerdeführer von der Anklage der gemeinschaftlichen N?tigung frei, das Landgericht Tübingen verurteilte sie zu einer Geldstrafe von je 30 Tagess?tzen zu 20 DM. Das Oberlandesgericht Stuttgart verwarf die Revision.
b) Bei dem Verfahren 1 BvR 921/84 handelt es sich ebenfalls um eine vorher der Polizei und dem Kasernenkommandeur mitgeteilte Aktion in Gro?engstingen, und zwar vor dem Sondermunitionslager für atomare Kurzstreckenraketen. Die für die Zeit vom 1. bis 8. August 1982 geplante Aktion mit etwa 700 Teilnehmern war durch ein Training zur Gewaltfreiheit in Bezugsgruppen vorbereitet worden. Der Beschwerdeführer zu 3), wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Universit?t, beteiligte sich am 2. August 1982 zweimal daran, da? sich einander planm??ig abl?sende Gruppen von 10 bis 50 Personen jeweils in Querreihen auf der einzigen Zufahrtsstra?e niederlie?en. Ein- und ausfahrende Fahrzeuge der Bundeswehr konnten jeweils erst nach 10 bis 20 Minuten weiterfahren, nachdem Polizeibeamte in insgesamt 16 Eins?tzen die Demonstranten weggetragen hatten.
Das Amtsgericht Münsingen verurteilte den Beschwerdeführer wegen gemeinschaftlicher N?tigung zu einer Geldstrafe von 20 Tagess?tzen zu je 20 DM. Das Landgericht Tübingen verwarf die Berufung und das Oberlandesgericht Stuttgart die Revision.
c) Die Verfahren 1 BvR 1190/84 und 333/85 betreffen Sitzblockaden zum dritten Jahrestag des NATO-Doppelbeschlusses, die nach vorheriger Ankündigung bei der Polizei und den amerikanischen Streitkr?ften am Sonntag, dem 12. Dezember 1982, auf der Zufahrt zu den Patch-Barracks in Stuttgart-Vaihingen, der Kommandozentrale aller US-Streitkr?fte in Europa, stattfanden. Die etwa 250 Teilnehmer wollten in der Zeit von 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr jeweils zur vollen Stunde in dicht gedr?ngten Gruppen von 30 oder mehr Personen für die Dauer von zw?lf Minuten die Stra?e sperren, deren eine H?lfte der Jungen Union für eine angemeldete Gegendemonstration zwischen 10.00 Uhr und 12.00 Uhr vorbehalten war. Die beiden Beschwerdeführer zu 4) und 5), ein Student und ein Arbeitsrichter, beteiligten sich an den Stra?ensperren um 9.00 Uhr bzw. 12.00 Uhr; sie wurden von der Polizei nach vergeblicher Aufforderung zur R?umung schon nach etwa fünf Minuten fortgetragen. W?hrend der gesamten Aktion wurden etwa 150 Fahrzeuge von der deutschen Polizei oder der amerikanischen Milit?rpolizei vorübergehend angehalten, darunter auch ein Taxifahrer; es stand noch eine weitere, jedoch verschlossene Zufahrt zum Kasernengel?nde zur Verfügung.
Das Amtsgericht Stuttgart sprach die Beschwerdeführer frei. Das Landgericht Stuttgart verurteilte sie wegen gemeinschaftlicher versuchter bzw. vollendeter N?tigung zu Geldstrafen von 10 Tagess?tzen zu 10 DM bzw. von acht Tagess?tzen zu 80 DM. Das Oberlandesgericht Stuttgart verwarf die Revisionen unter Bezugnahme auf einen bereits ver?ffentlichten, n?her begründeten Beschlu?, der ebenfalls die Sitzblockade in Stuttgart-Vaihingen betraf (NJW 1984, S. 1909).
d) Gegenstand des Verfahrens 1 BvR 248/85 ist eine Demonstration am Ostersonntag, dem 3. April 1983, vor der amerikanischen Kaserne in Neu-Ulm. Der beschwerdeführende Sozialp?dagoge zu 6) sa? gemeinsam mit etwa 200 Teilnehmern über einen nicht genau feststellbaren Zeitraum von wenigen Minuten vor dem Haupteingangstor, bis die Polizei die Stra?e nach vergeblicher dreifacher Aufforderung r?umte. Der zust?ndige amerikanische Offizier hatte schon vor der Demonstration Ma?nahmen zur Verkehrsabwicklung getroffen und empfohlen, das Haupttor nicht zu benutzen; ein Fahrzeug wurde nicht behindert.
Das Amtsgericht Neu-Ulm verurteilte den Beschwerdeführer wegen versuchter gemeinschaftlicher N?tigung zu einer Geldstrafe von acht Tagess?tzen zu 25 DM (vgl. im einzelnen A II 2 b)5. Das Bayerische Oberste Landesgericht verwarf die Revision.
e) Die Verfahren 1 BvR 306/85 und 497/85 betreffen Blockaden, die seit Herbst 1983 regelm??ig durch Mitglieder der Friedensbewegung vor dem amerikanischen Milit?rlager Mutlangen erfolgen, das als Stationierungsort für Mittelstreckenraketen vorgesehen war und das damals über nur eine uneingeschr?nkt benutzbare Zufahrtsstra?e verfügte. Wenn Fahrzeuge in das Lager einfahren oder dieses verlassen wollten, setzten oder stellten sich Teilnehmer in enger k?rperlicher Verbundenheit auf die Fahrbahn, bis diese durch die Polizei nach vergeblicher Aufforderung ger?umt wurde. Der Beschwerdeführer zu 7), ein Kreisamtmann, nahm am 11. Dezember 1983 gegen 19.30 Uhr zusammen mit rund 70 Personen an einer solchen Aktion teil, die etwa 15 Minuten dauerte und zur Behinderung eines Konvois von fünf amerikanischen Milit?rfahrzeugen führte. Die Beschwerdeführerin zu 9), eine Bilanzbuchhalterin, beteiligte sich am 12. Dezember 1983, dem vierten Jahrestag des Doppelbeschlusses, zusammen mit 13 anderen Personen gegen 9.45 Uhr an einer entsprechenden Aktion und behinderte für die Dauer von etwa 15 Minuten ein amerikanisches Fahrzeug. Die Beschwerdeführerin zu 8), eine Bildhauerin, stellte sich am 7. Februar 1984 um 22.37 Uhr zusammen mit neun weiteren Personen einem Konvoi von zwei amerikanischen Milit?rfahrzeugen entgegen, so da? diese erst nach fünf bis zehn Minuten weiterfahren konnten.
Das Amtsgericht Schw?bisch Gmünd verurteilte die Beschwerdeführer wegen N?tigung zu Geldstrafen, und zwar den Beschwerdeführer zu 7) zu 20 Tagess?tzen von 75 DM, die Beschwerdeführerin zu 8) zu 20 Tagess?tzen und die Beschwerdeführerin zu 9) zu 25 Tagess?tzen von je 20 DM. Das Landgericht Ellwangen verwarf die Berufungen und das Oberlandesgericht Stuttgart die Revisionen; im Falle des Beschwerdeführers zu 7) begründete das Oberlandesgericht seine Entscheidung ausführlicher.
2.
a) Die Strafsenate des Oberlandesgerichts Stuttgart gehen zur Begründung der Verurteilungen im Anschlu? an die Laepple-Entscheidung des Bundesgerichtshofs davon aus, da? auch das Versperren eines Weges durch k?rperlichen Einsatz N?tigung durch Gewalt sei. Schon in seinem früher ver?ffentlichten Beschlu? über die Sitzblockade in Stuttgart-Vaihingen (NJW 1984, S. 1909) hatte der erste Strafsenat dargelegt, an dieser Beurteilung ?ndere sich auch nichts durch das Vorhandensein anderer Kasernenzug?nge sowie dadurch, da? die Stra?ensperren lediglich auf zw?lf Minuten angelegt gewesen und die Blockierer teilweise schon nach wenigen Minuten von der Polizei entfernt worden seien. Die Blockierer k?nnten sich nicht auf den Grundrechtsschutz der Demonstrationsfreiheit nach Art. 5 und 8 GG berufen. Zwar werde eine Versammlung nicht schon deshalb unfriedlich im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG, weil das Tatbestandsmerkmal der Gewalt nach § 240 StGB erfüllt werde; denn unfriedlich im Sinne dieses Grundrechts hei?e gewaltt?tig. Die Versammlungsfreiheit stehe jedoch unter Gesetzesvorbehalt; eine nicht angemeldete und von der Polizei jeweils aufgel?ste Demonstration bleibe nicht in den vom Versammlungsgesetz gezogenen verfassungsm??igen Schranken. Soweit das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit zugleich eine Wertentscheidung enthalte, sei deren rechtliches Gewicht bei der Güterabw?gung im Rahmen der Verwerflichkeitsprüfung nach Absatz 2 des § 240 StGB zu berücksichtigen. Das Tatbestandsmerkmal der Gewalt indiziere die Verwerflichkeit, lasse aber gleichwohl Raum für eine andere Beurteilung. Die Güterabw?gung ergebe - wie im Beschlu? n?her dargelegt wird - im Falle der Blockade in Stuttgart-Vaihingen insgesamt keinen berechtigten Grund, den durch Gewalt ausgeübten Zwang auf die Entschlu?freiheit anderer Personen als nicht verwerflich zu beurteilen. Für diese Güterabw?gung sei es ohne Bedeutung, welche Ziele mit der Protestaktion verfolgt würden; denn dem Gericht stehe eine inhaltliche Bewertung von Meinungs?u?erungen als mehr oder weniger schützenswert nicht zu.
Der dritte Strafsenat hat im Revisionsverfahren des Beschwerdeführers zu 7) betreffend eine Sitzblockade in Mutlangen ebenfalls entschieden, es k?nne nicht Aufgabe des Gerichts sein, die Gedankeninhalte zu bewerten, die durch die Protestaktion ins allgemeine Bewu?tsein gerückt werden sollten. Auch nach seiner Meinung l??t sich der Beurteilung von Blockaden als N?tigung weder das Grundrecht der Versammlungsfreiheit noch die Erw?gung entgegenhalten, das Ausma? der Behinderung sei so gering gewesen, da? sie nicht die Bezeichnung Gewalt verdiene. Zwar müsse jeder sozial-übliche Bel?stigungen hinnehmen. Das gelte auch für die typischen Behinderungen, die von einer friedlichen Demonstration ausgingen, solange die Demonstranten die sozialüblichen Ziele einer Demonstration verfolgten. Die zul?ssige Grenze werde aber überschritten, wenn Demonstranten gezielt in die freie Willensbet?tigung Unbeteiligter eingriffen und die ?ffentlichkeit gerade mit Hilfe der absichtlich hervorgerufenen Behinderungen auf ihr Anliegen aufmerksam machen wollten. Ein solches Verhalten sei n?tigende Gewalt und als verwerflich zu beurteilen. Dagegen k?nne nicht eingewandt werden, die relativ milde Form der Gewalt und die mit der N?tigung verfolgten Zwecke lie?en ausnahmsweise die Zwangshandlung als zul?ssig erscheinen. Die Einzeltaten der Beschwerdeführer seien Bestandteil einer seit Herbst 1983 stattfindenden Langzeitaktion, durch die der Dienstbetrieb der US-Armee erheblich gest?rt werde. Das Motiv des Beschwerdeführers m?ge für sich gesehen durchaus billigenswert gewesen sein; dies erm?chtige ihn jedoch nicht, seiner Meinung dadurch besonderen Nachdruck zu verleihen, da? er sie mit weitreichenden Eingriffen in die Rechte Dritter verbinde. Das im Grundgesetz verankerte Prinzip eines freien ?ffentlichen Meinungsbildungsprozesses er?ffne jedem Bürger viele andere M?glichkeiten, sein Anliegen ?ffentlich vorzutragen.
b) Das Bayerische Oberste Landesgericht hat die Revision des Beschwerdeführers zu 6) gegen das amtsgerichtliche Urteil ohne Begründung durch einstimmigen Beschlu? verworfen.
Das Amtsgericht seinerseits hatte zur Teilnahme des Beschwerdeführers an der Sitzblockade von Neu-Ulm ausgeführt, dieser habe begonnen, psychische Gewalt anzuwenden, indem er durch den Einsatz seines K?rpers gemeinsam mit anderen ein Ein- oder Ausfahren von Fahrzeugen unm?glich gemacht habe. Der Beschwerdeführer habe vors?tzlich und rechtswidrig gehandelt. Er habe gewu?t und gewollt, da? durch sein und der Mitdemonstranten Verhalten die beschriebene Zwangseinwirkung habe eintreten k?nnen. Die Gewaltanwendung zu dem erstrebten Zweck sei als verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB anzusehen. Der erstrebte Zweck, n?mlich die Bev?lkerung eindringlich auf Gefahren und Folgen der atomaren Rüstung und der Stationierung von Pershing II-Raketen hinzuweisen, sei achtenswert und für sich gesehen nicht verwerflich. Zur Erreichung des genannten Ziels seien jedoch nicht alle Mittel erlaubt. Gewaltanwendung als Mittel der überzeugung und des Hinweises auf ein berechtigtes und achtenswertes Anliegen sei nicht zul?ssig und wegen des damit verbundenen Eingriffs in Rechte anderer nicht hinnehmbar; sie k?nne auch nicht durch die Grundrechte aus Art. 5, 8 und 2 GG gerechtfertigt werden. Ma? und Gewicht der Gewaltanwendung und der hierdurch hervorgerufenen Zwangswirkungen sowie die Motivation des Beschwerdeführers seien bei der Strafbemessung zu berücksichtigen.
3.
Die Beschwerdeführer haben gegen ihre Verurteilungen Verfassungsbeschwerden eingelegt. Alle rügen eine Verletzung des Art. 103 Abs. 2 GG. Ferner wird - teils vorrangig - ein Versto? gegen die Grundrechte aus Art. 5 und 8 GG geltend gemacht; einige halten auch den Gleichheitssatz für verletzt.
Die Beschwerdeführer heben hervor, sie h?tten in einer Frage von elementarem Allgemeininteresse v?llig gewaltfrei gegen die unabsehbaren Risiken der weiteren atomaren Aufrüstung protestiert. Anders als bei Sitzblockaden gegen Preiserh?hungen, über die der Bundesgerichtshof im Laepple-Fall entschieden habe, sei es nicht um eine effektive Lahmlegung des Verkehrs als Druckmittel gegangen. Angesichts der konkreten Kr?fteverh?ltnisse seien die vorher angekündigten Blockaden von vornherein ungeeignet gewesen, den milit?rischen Betrieb auch nur vorübergehend zu verhindern. Die Beschwerdeführer h?tten sich vielmehr in einer symbolischen Handlung mit ihren K?rpern wehr- und hilflos der überlegenen Milit?rmaschine in den Weg stellen wollen, um an die Politiker zu appellieren und bildhaft die physische Unterlegenheit der Bev?lkerung gegenüber der Rüstungspolitik zum Ausdruck zu bringen; eine geringfügige Behinderung der Fahrzeugführer habe dabei in Kauf genommen werden müssen, sei aber nicht das eigentliche Ziel gewesen. Ein solcher Appell an die Gewissen m?ge - so meinen einige Beschwerdeführer - als Zuwiderhandlung gegen das Versammlungsgesetz oder gegen Verkehrsvorschriften zu beurteilen sein; wenn es aber als eine mit dem Mittel der Gewalt begangene verwerfliche N?tigung kriminalisiert werde, dann sei dies nicht nur eine unertr?gliche moralische Disqualifizierung, sondern rechts fehlerhaft und unvereinbar mit dem Grundsatz der Verh?ltnism??igkeit.
Der in § 240 StGB verwendete Gewaltbegriff sei durch die Gerichte zunehmend ausgeweitet und "vergeistigt" worden. Der Bundesgerichtshof habe zwar das Element der Kraftentfaltung für entbehrlich erachtet, aber immerhin ein gewisses Ma? an k?rperlicher Einwirkung gefordert. Wenn nunmehr allein auf das Element der Zwangseinwirkung durch psychischen Druck abgestellt und jede Beeintr?chtigung der Bewegungsfreiheit anderer durch passives Verhalten als Gewalt aufgefa?t werde, dann sei das weder mit dem Wortsinn noch damit vereinbar, da? der Strafgesetzgeber aus guten Gründen und in Einklang mit den Wertentscheidungen der Verfassung gerade nicht jede Zwangseinwirkung auf die Freiheit der Willensentscheidung unter Strafe gestellt habe und da? die Strafvorschrift eine weitere Begehungsform vorsehe, die durch die Ausweitung des Gewaltbegriffs ihre eigenst?ndige Bedeutung verliere. Die neuerliche richterliche Rechtsfortbildung k?nne sich nicht etwa auf eine hergebrachte und gefestigte h?chstrichterliche Rechtsprechung berufen. Sie sei unvereinbar mit Art. 103 Abs. 2 GG; denn danach sei es unzul?ssig, eine Strafnorm auf einen Sachverhalt anzuwenden, der von ihrem Wortsinn nicht erfa?t werde.
Werde gleichwohl der ausgeweitete Gewaltbegriff zugrunde gelegt, müsse die Rechtswidrigkeit besonders sorgf?ltig geprüft werden. Der Gesetzgeber habe das unter Strafe gestellte Verhalten nur teilweise definiert und in § 240 Abs. 2 StGB die Grenzziehung zwischen Strafbarem und Straflosem durch eine Verweisung auf die Normen der Ethik ersetzt. Daraus erg?ben sich weitere verfassungsrechtliche Bedenken wegen mangelnder Bestimmtheit mit der Folge, da? die Norm auf eine N?tigung mittels Gewalt im engsten Sinne (Entfaltung k?rperlicher Kraft zur Einwirkung auf den K?rper des Opfers) zu beschr?nken sei. Keinesfalls dürfe es als verwerflich angesehen werden, wenn mit dem symbolischen Mittel ?ffentlich angekündigter gewaltfreier Sitzblockaden gegen die bisher t?dlichsten Waffen der Menschheitsgeschichte demonstriert werde. Die von den Demonstranten verfolgten Zwecke seien h?herwertig als die nur kurzfristige Behinderung von Milit?rfahrzeugen. Es gehe jedenfalls nicht an, einerseits den Gewaltbegriff zu vergeistigen und sich andererseits mit der Feststellung zu begnügen, Gewaltanwendung indiziere die Rechtswidrigkeit. Das laufe auf eine gesetzwidrige Abschaffung des § 240 Abs. 2 StGB hinaus. Nach der Rechtsprechung dürfe ein Verhalten erst dann als verwerflich eingestuft werden, wenn ihm in erh?htem Ma?e der Makel des sittlich Anst??igen und sozial Unertr?glichen anhafte. Dabei sei darauf abzustellen, was nach allgemeinem Urteil mi?billigt werde. Die ethische Bewertung der Blockaden durch die Friedensbewegung sei aber gerade umstritten; da? sie nicht verwerflich sein k?nnten, werde durch die Beteiligung zahlloser Personen von unbestreitbarer moralischer Integrit?t und dadurch best?tigt, da? die vielen namenlosen Teilnehmer in aller Regel loyale, überdurchschnittlich gut informierte und engagierte Bürger gewesen seien, die aus gewissenhafter überzeugung handelten. Als verwerflich k?nnten die gewaltfreien Blockaden um so weniger mi?billigt werden, als die Stationierung der Mittelstreckenraketen - wie der Beschwerdeführer zu 6) n?her darlegt - das Recht auf Leben gef?hrde und verfassungswidrig sei; sie sei zudem von der Mehrheit der Bev?lkerung abgelehnt worden.
Bei der Beurteilung der Sitzblockaden als N?tigung h?tten die Gerichte die Tragweite der Art. 5 und 8 GG verkannt, die dem Bürger ein Recht auf Einflu?nahme auf den st?ndigen Proze? der politischen Meinungs- und Willensbildung gew?hrleisteten. Nicht schon jede Rechtsverletzung führe automatisch zur Unfriedlichkeit einer Versammlung und damit zum Wegfall grundrechtlicher Sicherungen. Beide hochrangigen Grundrechte verk?rperten Wertentscheidungen, in deren Licht die grundrechtsbeschr?nkenden Vorschriften auszulegen und die insbesondere bei der Güterabw?gung im Rahmen der Verwerflichkeitsprüfung zu berücksichtigen seien. Dies begründe im Ergebnis einen Vorrang der Demonstrationsfreiheit und der mit Einsatz des K?rpers bewirkten Meinungskundgabe gegenüber einer kurzzeitigen symbolischen Behinderung des Milit?rverkehrs. Die Wahl des Demonstrationsortes und die Art. der Gestaltung seien wesentliche Bestandteile der durch die Freiheitsrechte geschützten Meinungskundgabe; die damit verbundene geringfügige Beschr?nkung in der Fortbewegungsfreiheit einzelner Verkehrsteilnehmer sei als unvermeidliche Auswirkung sinnvoller Grundrechtsausübung in Kauf zu nehmen. Die widerstreitenden Interessen mü?ten nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz miteinander in Einklang gebracht werden mit der Folge, da? kein Beteiligter seine Freiheiten schrankenlos ausüben k?nne. Mit dem Gleichheitssatz sei es unvereinbar, da? in anderen F?llen Sitzdemonstrationen lediglich als Ordnungswidrigkeit behandelt und gegen die Teilnehmer der sogenannten Prominentenblockade und der Lkw-Blockade am Brenner keine Strafverfahren eingeleitet worden seien.
III.
Zu den Verfassungsbeschwerden haben der Bundesminister der Justiz namens der Bundesregierung, der Bayerische Ministerpr?sident und das Justizministerium des Landes Baden-Württemberg Stellung genommen. Im ersten Verfahren haben sich ferner die Strafsenate des Bundesgerichtshofs, die Gewerkschaft der Polizei und vier Institute für Konflikt- und Friedensforschung ge?u?ert.
1.
Der Pr?sident des Bundesgerichtshofs hat ?u?erungen der zust?ndigen Strafsenate zur Anwendung des § 240 StGB in ihrer Rechtsprechung und zur Vereinbarkeit der Vorschrift mit dem Grundgesetz übersandt:
a) Nach Ansicht des 1. Strafsenats, der ebenso wie der 5. Strafsenat bislang mit entsprechenden Rechtsfragen nicht befa?t war, genügt der von der Rechtsprechung entwickelte Gewaltbegriff, der entscheidend auf die Zwangswirkung des T?terverhaltens auf den Gen?tigten abhebe, dem Bestimmtheitserfordernis des Art. 103 Abs. 2 GG. Für die Verwerflichkeit der N?tigung sei Gewaltanwendung indiziell. Es sei rechtsstaatlich nicht geboten, durch Einschr?nkung des Gewaltbegriffs oder durch Anerkennung von Demonstrationszwecken als Rechtfertigungsgrund Verhaltensweisen zu erm?glichen, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Gewalt im Sinne des § 240 StGB seien.
b) Der 2. Strafsenat verweist auf seine bisherige Rechtsprechung, insbesondere die Laepple-Entscheidung (BGHSt 23, 46), zu deren Tragweite er sich inzwischen im Beschlu? vom 24. April 1986 (NJW 1986, S. 1883) ge?u?ert hat. An der Definition der "Gewalt" als einer durch physische Kraftentfaltung erzielten Zwangswirkung auf das Opfer habe der Senat auch in anderem Zusammenhang bei sexueller N?tigung festgehalten. Als verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB sei eine N?tigung dann anzusehen, wenn die Verquickung des Mittels der Gewalt (oder der Drohung) mit dem jeweils angestrebten Zweck nach allgemeinem Urteil sittlich zu mi?billigen sei. Es bestehe kein Zweifel, da? § 240 StGB dem Gebot der Bestimmtheit strafrechtlicher Tatbest?nde genüge. Dem Vorrang grundrechtlicher Gew?hrleistungen k?nne erforderlichen falls mit dem Mittel verfassungskonformer Auslegung Rechnung getragen werden.
c) Der 3. Strafsenat verweist auf seine Entscheidung zur N?tigung bei Vorlesungsst?rungen (NJW 1982, S. 189). Ein weiteres Urteil, dem eine Flughafenblockade (Gro?demonstration) zugrunde gelegen habe und in dem zum Gewaltbegriff in anderen Strafvorschriften Stellung genommen worden sei (BGHSt 32, 165), habe offengelassen, ob Demonstrationen, die um der gr??eren ?ffentlichkeitswirkung darauf angelegt seien, die Bewegungs- und Handlungsfreiheit anderer durch Gewalt zu beeintr?chtigen, stets oder nur unter zus?tzlichen Voraussetzungen nach § 240 StGB strafbar seien.
d) Der 4. Strafsenat hat sich zuletzt 1969 in einer Entscheidung zur r?uberischen Erpressung mit dem Gewaltbegriff befa?t (BGHSt 23, 126). Soweit in der Folgezeit in Verwerfungsbeschlüssen § 240 StGB anzuwenden gewesen sei, habe der Senat die Rechtsprechung des 2. Senats im Laepple-Fall zugrunde gelegt. Von einer Stellungnahme zur Vereinbarkeit der Strafvorschrift mit dem Grundgesetz werde abgesehen.
2.
Der Bundesminister der Justiz meint, eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts durch die angegriffenen Entscheidungen sei nicht erkennbar. Der Bayerische Ministerpr?sident, der sich schrifts?tzlich zu den Verfahren der Beschwerdeführer zu 1) und 2) sowie zu 6) ge?u?ert hat, und das Justizministerium Baden-Württemberg, das zu den in diesem Land begangenen Aktionen Stellung genommen hat, halten die Verfassungsbeschwerden ebenfalls für unbegründet.
a) Nach ihrer übereinstimmenden Auffassung wird die Strafvorschrift des § 240 StGB den aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Anforderungen gerecht, und zwar auch in der Auslegung, welche die Gerichte in übereinstimmung mit der h?chst richterlichen Rechtsprechung vertr?ten. Die Verfassung untersage nicht die Verwendung unbestimmter, wertausfüllungsbedürftiger Begriffe. Der Begriff der Verwerflichkeit überlasse es zwar - so r?umt das Justizministerium Baden-Württemberg ein - weithin der Wertung der Gerichte, ob eine tatbestandliche N?tigung rechtswidrig sei; gleichwohl seien die Grenzen der Anwendbarkeit des § 240 StGB durch die strafgerichtliche Rechtsprechung derart konkretisiert, da? dem Bestimmtheitsgrundsatz so weit wie m?glich Rechnung getragen werde.
Wesensmerkmal des Gewaltbegriffs ist nach Ansicht des Justizministeriums, die der Bayerische Ministerpr?sident im wesentlichen teilt, die durch physische Kraftentfaltung erzielte, ma?geblich an ihrer Intensit?t im Einzelfall zu messende Zwangswirkung auf das Opfer. Das Erfordernis einer - wenn auch geringen - k?rperlichen Kraftentfaltung als ausl?sender Faktor eines im übrigen psychisch determinierten Prozesses wahre die Grenze einer vom Wortlaut noch gedeckten Auslegung. Es sei nicht ersichtlich, da? diese nicht mit der allgemeinen Vorstellung von Gewalt übereinstimme.
Die Gleichsetzung der psychischen mit der physischen Gewalt ist nach Ansicht des Bundesministers der Justiz angesichts des Gesetzeszweckes, die freie Willensbet?tigung zu schützen, gerechtfertigt; sie entspreche der heute herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum. Diese Rechtsprechung k?nne unbeschadet der teils heftigen Kritik, die sie aus strafrechtlicher Sicht erfahren habe, nicht als verfassungswidrig bezeichnet werden. Eine Entscheidung für einen bestimmten Gewaltbegriff sei dem Grundgesetz nicht zu entnehmen. Das Abstellen auf die k?rperliche Zwangswirkung beim Opfer und nicht auf das Angriffsverhalten des T?ters sei eine von mehreren Auslegungsm?glichkeiten, die durch das Bestreben bestimmt sei, alle gleich strafwürdigen F?lle zu erfassen. Diese Auslegung bedeute keine verbotene Analogie, da der Begriff der Gewalt nicht nur durch das Verhalten des T?ters, sondern auch durch die Wirkung dieses Verhaltens beim Opfer gepr?gt sei.
41 b) Die angegriffenen Entscheidungen versto?en nach übereinstimmender Auffassung der genannten Verfassungsorgane auch nicht gegen die Art. 5 und 8 GG; die Verfassung gebiete nicht, Sitzblockaden, wie sie von den Beschwerdeführern durchgeführt worden seien, als rechtm??ig anzusehen.
Nach Ansicht des Bayerischen Ministerpr?sidenten verleihen die genannten Grundrechte ihrem Tr?ger nicht das Recht, bei der Ausübung der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit mit Gewalt auf andere einzuwirken. In seinem Brokdorf-Beschlu? habe das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hervorgehoben da? sich Personen, die bei Demonstrationen Gewalt anwendeten, nicht auf Art. 8 GG berufen k?nnten. Die Wechselwirkung zwischen den Grundrechten und § 240 StGB gebiete keine einschr?nkende Auslegung des Gewaltbegriffs bei Demonstrationen, da die Anwendung von Gewalt im Sinne der herrschenden Rechtsprechung kein notwendiges Mittel zur Wahrung der in Art. 5 und 8 GG gew?hrten Freiheiten sei.
Der Bundesminister der Justiz betont ebenfalls, da? Art. 5 und 8 GG nur die geistige Auseinandersetzung, nicht hingegen gewaltsames Verhalten schützten. Es erscheine bereits fraglich, ob die aus Protest gegen die atomare Rüstung veranstalteten Sitzblockaden vor milit?rischen Einrichtungen als "friedliche" Versammlungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG anzusehen seien. Zwar k?nne der von der Rechtsprechung entwickelte strafrechtliche Gewaltbegriff nicht ohne weiteres mit dem verfassungsrechtlichen Begriff der Unfriedlichkeit gleichgesetzt werden. Im Bereich des Versammlungsrechts k?nne sich jedoch auch psychischer Zwang als ein Verhalten darstellen, das au?erhalb des Rahmens eines zul?ssigen geistigen Meinungskampfes liege. Letztlich k?nne diese Problematik aber dahingestellt bleiben, da die Bestrafung wegen N?tigung jedenfalls aufgrund des Gesetzesvorbehalts in Art. 8 Abs. 2 GG zul?ssig sei. Die Vorschrift des § 240 Abs. 1 StGB schütze die Freiheit der Willensentschlie?ung und der Willensbet?tigung, richte sich somit nicht gegen die Versammlungsfreiheit und entspreche den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht im Brokdorf-Beschlu? an normative, die Versammlungsfreiheit beschr?nkende Regelungen gestellt habe.
Nach Ansicht des Justizministeriums Baden-Württemberg erm?glicht es die Verwerflichkeitsregel den Gerichten, den Grundrechtsverbürgungen der Art. 5 und 8 GG bei der Güterabw?gung Rechnung zu tragen. Da? Art. 8 GG nicht schon mangels Friedlichkeit als Prüfungsma?stab auszuscheiden habe, werde vom Oberlandesgericht Stuttgart in einigen Entscheidungen ausdrücklich dargelegt. Aus den in den Schranken der allgemeinen Gesetze gew?hrleisteten oder unter Gesetzesvorbehalt stehenden Grundrechten der Art. 5 und 8 GG lasse sich aber nicht die Befugnis entnehmen, die Wirkung von Demonstrationen dadurch erh?hen zu dürfen, da? mittels gewaltsamer N?tigung Verkehrsbehinderungen zu Zweck und Ziel einer ?ffentlichen Aktion gemacht würden. Werde durch eine Fahrbahnblockade konkret auf Kraftfahrer ein unwiderstehlicher Zwang zum Halten ausgeübt, so sei die damit an gewandte Gewalt auch unter Berücksichtigung des Grundrechts der Demonstrationsfreiheit in aller Regel rechtswidrig; nur besondere Umst?nde des Einzelfalles k?nnten ausnahmsweise das Verwerflichkeitsurteil ausschlie?en. Selbst wenn ferner berücksichtigt werde, da? die Demonstranten das Interesse einer breiten ?ffentlichkeit auf ein wichtiges und sie wesentlich berührendes Problem richten wollten, k?nne bei der Güterabw?gung nicht davon ausgegangen werden, da? der Ausübung ihrer Grundrechte der Vorrang gegenüber den durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Rechtspositionen der Betroffenen zukomme. In der repr?sentativen Demokratie mü?ten im übrigen Entscheidungen in ?ffentlichen Angelegenheiten in den H?nden der durch Verfassung und Gesetz dazu legitimierten und durch den demokratischen Willensbildungsproze? berufenen Organe liegen. Hiermit w?re es unvereinbar, wollten die Strafgerichte das Verwerflichkeitsurteil von den inhaltlichen Zielsetzungen einer Protestaktion abh?ngig machen.
c) In den Stellungnahmen wird ferner dargelegt, da? auch die Anwendung der gesetzlichen Regelung in den konkreten Einzelf?llen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, wenn dabei berücksichtigt werde, da? das Bundesverfassungsgericht fachgerichtliche Entscheidungen nur auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts zu überprüfen habe.
Nach Ansicht des Bundesministers der Justiz haben die Strafgerichte bei der Anwendung der Verwerflichkeitsklausel zutreffend berücksichtigt, da? der unmittelbare Zweck der Aktionen der Beschwerdeführer in der Blockade der betroffenen milit?rischen Einrichtungen bestanden habe. Dies sei keine blo?e Bel?stigung gewesen, die sich zwangsl?ufig aus der Grundrechtsausübung ergeben habe und ohne Nachteile für den Veranstaltungszweck nicht vermeidbar gewesen w?re, sondern eine gezielte Beeintr?chtigung zumindest gleichwertiger Rechtsgüter Dritter. Daher genie?e die Versammlungsfreiheit der Beschwerdeführer keinen Vorrang vor den durch sie beeintr?chtigten Rechten der betroffenen Kraftfahrer. Da die Strafgerichte das Anliegen der Beschwerdeführer nicht zu bewerten h?tten, sei dieses zu Recht au?er acht geblieben. Andererseits h?tten die Gerichte berücksichtigen dürfen, da? die Versammlungen pflichtwidrig nicht angemeldet worden und daher insoweit gegen die Rechtsordnung versto?ende N?tigungsmittel gewesen seien. Schlie?lich sei es auch nicht zu beanstanden, wenn die Strafgerichte den Sitzblockaden keinen Bagatellcharakter beigemessen h?tten. Zwar m?ge der hohe Rang der Versammlungsfreiheit dazu führen, da? eine tats?chlich nur symbolische Beeintr?chtigung der Willensfreiheit eines anderen nicht als verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB anzusehen sei und daher auch strafrechtlich nicht geahndet werden dürfe; ein derart symbolischer Charakter komme den Sitzblockaden der Beschwerdeführer jedoch in keinem Falle zu.
Nach Meinung des Bayerischen Ministerpr?sidenten haben die an der Ankettungsaktion in Gro?engstingen und bei der Blockade in Neu-Ulm beteiligten Beschwerdeführer, die mit ihren K?rpern die Kasernenzufahrt verstellt h?tten, unter physischer Kraftentfaltung eine, wenn auch psychisch vermittelte Zwangswirkung auf jene hervorgerufen, welche die Zufahrt h?tten passieren wollen. Die Zwangswirkung sei durch die Anzahl der Teilnehmer und im ersten Fall durch das Anketten noch gesteigert worden. Am Vorliegen einer Gewaltanwendung k?nnten der symbolische Charakter der Aktion, deren Vorankündigung und die politische Motivation nichts ?ndern. Diese Motivation k?nne allenfalls im Rahmen der Rechtswidrigkeitsprüfung bedeutsam werden. Die Verwerflichkeit werde indessen in aller Regel durch die Anwendung von Gewalt indiziert. Jedenfalls sei der auf Dritte ausgeübte Zwang, die Weiterfahrt zu unterbrechen, anderenfalls ein Verbrechen zu begehen, nach allgemeiner Ansicht in erh?htem Grade sittlich zu mi?billigen. Diese Beurteilung gelte auch im Falle von Friedensdemonstrationen, zumal vielf?ltige andere Formen für die Verwirklichung von Meinungs- und Demonstrationsfreiheit bestünden.
Das Justizministerium Baden-Württemberg legt n?her dar, da? die Verurteilung der Beschwerdeführer zu 1) und 2), 4) und 5) sowie zu 7), die an der Ankettungsaktion in Gro?engstingen oder an den Blockaden in Stuttgart-Vaihingen und Mutlangen beteiligt waren, eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts nicht erkennen lasse. Die Rechtsanwendung halte sich im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten verfassungsrechtlich unbedenklichen Kriterien. Die Gerichte h?tten nicht verkannt, da? es für das Merkmal der Gewalt entscheidend sein müsse, welches Gewicht der ausgeübten psychischen Einwirkung zukomme. Ihre an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anknüpfende Beurteilung sei auf der Ebene des einfachen Rechts zumindest vertretbar. Das gelte auch für die Prüfung der Verwerflichkeit, die durch die Anwendung gewaltsamer Mittel grunds?tzlich indiziert werde und die dann zu bejahen sei, wenn ein Verhalten in so hohem Ma?e mi?billigenswert erscheine, da? es sich - weil sozial unertr?glich - als strafwürdiges Unrecht darstelle.
d) In den Stellungnahmen zum ersten Verfahren wird schlie?lich noch dargelegt, da? sich die Stationierung von Atomraketen im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für eine milit?rische Selbstverteidigung halte. Ein Recht zum Widerstand im Sinne des Art. 20 Abs. 4 GG gegen die zul?ssige Rüstungspolitik sei nicht gegeben.
3.
Die Gewerkschaft der Polizei h?lt eine verfassungsgerichtliche Kl?rung der Grenzen des N?tigungstatbestandes im Interesse der Polizei wie der Demonstranten und der Betroffenen für dringend erwünscht. Wegen der Ausweitung des Gewaltbegriffs und der Unsicherheiten in der Anwendung der Verwerflichkeitsklausel lasse es sich nicht von der Hand weisen, da? eine Bestrafung wegen N?tigung für die Beschwerdeführer nicht vorhersehbar gewesen sei. Die Ausdehnung des Gewaltbegriffs in der neueren Rechtsprechung bedürfe der überprüfung im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an die rechtsfortbildende T?tigkeit des Richters bei der Verh?ngung von Strafen zu stellen seien, bei der - wie Art. 103 Abs. 2 GG belege - die Gesetzesbindung mit besonderer Strenge zu handhaben sei. Die Begriffsbildung des Reichsgerichts habe mit dem Wortlaut des § 240 Abs. 1 StGB noch in Einklang gestanden. Danach liege Gewalt jedenfalls dann vor, wenn der T?ter einen Angriff gegen den K?rper des Opfers richte und dabei selbst erhebliche K?rperkr?fte aufwende (Verprügeln) oder - im weitesten Sinne - technische Einrichtungen benutze (Gewehrschu?). Fehle es an einer derartigen mechanischen Einwirkung, so k?nne Gewalt nur dann angenommen werden, wenn einzelne K?rperfunktionen beim Opfer vorübergehend lahmgelegt würden, etwa durch "gewaltlose" Beibringung narkotisierender Mittel oder durch Einsperren oder bewu?te Verursachung eines Nervenschocks. Anders verhalte es sich, wenn nicht die Bewegungsf?higkeit schlechthin, sondern nur die Fortbewegung in bestimmten Formen (mit Auto oder Stra?enbahn) oder in bestimmte Richtung (Verkehrsblockade) unm?glich gemacht werde. Ebensowenig reiche die blo?e Beeintr?chtigung des Nervensystems als Anla? zur Bestrafung aus. Die Rückkehr zum traditionellen Gewaltbegriff werde nicht etwa dazu führen, Tatbest?nde für rechtm??ig zu erkl?ren, die heute durch § 240 StGB erfa?t würden. Es entfalle lediglich eine Bestrafung wegen N?tigung, jedoch blieben Sanktionen nach dem Versammlungsgesetz und der Stra?enverkehrsordnung m?glich.
Die angefochtenen Entscheidungen h?tten ferner die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und 8 Abs. 1 GG nicht hinreichend beachtet. Die Blockade einer Kasernenzufahrt sei zweifelsfrei als Versammlung im Sinne des Art. 8 GG und des Versammlungsgesetzes anzusehen: Die Teilnehmer seien zusammengekommen, um gemeinsam in ?ffentlichen Angelegenheiten durch Demonstration eine Aussage zu machen. Ihre Handlungsweise werde nicht dadurch zu einer unfriedlichen, da? die Gerichte ihr Handeln als "Gewalt" angesehen h?tten. Da eine grundrechtsbeschr?nkende Norm im Lichte der eingeschr?nkten Grundrechte zu interpretieren sei, müsse das Recht der Beschwerdeführer, gemeinsam ihre Meinung zu bekunden, zu der durch § 240 StGB geschützten Bewegungsfreiheit der Milit?rangeh?rigen in Bezug gesetzt werden. Ma?st?be für eine verh?ltnism??ige Zuordnung der beiden Rechtsgüter lie?en sich aus der Praxis unzweifelhaft legaler Demonstrationen ableiten. Bei diesen werde es ersichtlich nicht beanstandet, da? Verkehrsteilnehmer zu einem Umweg gezwungen würden oder da? bestimmte Pl?tze nicht mit Autos passierbar seien. Die Grenzen des Legalen w?ren erst dann überschritten, wenn beispielsweise die Bewegungsfreiheit eines Unbeteiligten vorübergehend v?llig beseitigt w?re und er auch nicht mehr die M?glichkeit habe, zu Fu? zu seiner Wohnung oder zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen oder bestimmte Stadtviertel mit einem Kraftfahrzeug zu erreichen. An diesen Ma?st?ben ?ndere sich nichts, wenn eine nicht angemeldete Demonstration vorliege; auch sie sei eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes mit der Folge, da? als denkbare Eingriffe lediglich ein Ausschlu? gem?? § 18 Abs. 3 VersG, eine Platzverweisung sowie eine Aufl?sung in Betracht k?men. Solange die zust?ndige Beh?rde keinen dieser auf Entfernung der Teilnehmer gerichteten Eingriffe verfüge, sei die Berufung auf Art. 8 GG zul?ssig; bis dahin k?nne die Teilnahme an der Blockade auch keine N?tigung sein. Im übrigen müsse sich die wertsetzende Bedeutung des eingeschr?nkten Grundrechts auch auf die Sanktionen auswirken, die bei Verst??en verh?ngt würden.
4.
Von den vier Instituten für Friedens- und Konfliktforschung hat das Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik Ver?ffentlichungen zur verfassungsrechtlichen Beurteilung von Nuklearwaffen übersandt. Zu verfassungsrechtlichen, verteidigungspolitischen und milit?rtechnischen Problemen der Stationierung haben sich ferner die Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung sowie das Starnberger Forschungsinstitut für Friedenspolitik ge?u?ert. In allen Beitr?gen, die vor den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Nachrüstung (BVerfGE 66, 39 und insbesondere 68, 1) eingingen, wird deren Verfassungsm??igkeit angezweifelt. Die beiden zuletzt genannten Institute und ebenfalls die Berghof-Stiftung für Konfliktforschung haben zur Problematik symbolischer Aktionen des zivilen Ungehorsams in parlamentarischen Demokratien Stellung genommen. übereinstimmend warnen sie davor, solche Aktionen als N?tigung mit dem Mittel verwerflicher Gewalt zu beurteilen; dadurch werde das Bemühen um Abbau von Gewalt und um differenzierte M?glichkeiten zur Konfliktaustragung unterlaufen.
In den Stellungnahmen wird ausgeführt, es gebe auch in der parlamentarischen Demokratie Streitpunkte, welche von Minderheiten für nicht kompromi?f?hig oder für unabstimmbar gehalten würden. In der Bundesrepublik richteten sich Aktionen zivilen Ungehorsams in erster Linie gegen Mehrheitsentscheidungen, bei denen die Minderheit fatale, nicht wieder gutzumachende Konsequenzen befürchte. S werde der Mehrheit das Recht bestritten, Abschreckungsstrategien zu verfolgen, die im Falle des Versagens zum Ende der Bundesrepublik als lebensf?higer Industriegesellschaft führen mü?ten. Für derartige Konfliktf?lle, in denen sich die Minderheit aus Gewissensgründen zum Widerstehen verpflichtet fühle, müsse es einen Weg geben, Alarmzeichen zu setzen und die Mehrheit zu überzeugen, ohne da? es über diesen Konflikt zu einer L?hmung anderer lebensnotwendiger Funktionen des Gemeinwesens komme. Dabei gehe es nicht um die Ausübung eines unwiderstehlichen Zwanges auf staatliche Organe, sondern darum, den Konfliktgegenstand so zu dramatisieren, da? er nicht l?nger ignoriert werden k?nne. Die Kollision mit der Rechtsordnung werde bei Aktionen zivilen Ungehorsams begrenzt. Diesem Ziel dienten die politische Begründung der Aktion und die sie kalkulierbar machenden Angaben über den Verlauf, so da? es sich nicht um eine chaotische, sondern um eine in sich geordnete Aktion handele, deren Verlauf h?ufig auch mit staatlichen Organen besprochen werde. Die Selbstverpflichtung zu gewaltfreiem Verhalten sei ausschlaggebendes Merkmal für die Beurteilung von zivilem Ungehorsam; die Honorierung derartiger Selbstverpflichtungen liege im Interesse einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Wenn derartigen Aktionen die Anwendung psychischer Gewalt vorgeworfen werde, um § 240 StGB anwenden zu k?nnen, dann werde die für das Zusammenleben au?erordentlich bedeutsame Grenze zwischen violenten und nicht violenten Aktionen verwischt. Es sei auch unangemessen, hier von "psychischer Gewalt" zu sprechen, weil die Willensfreiheit der Herausgeforderten in Wahrheit nicht beeintr?chtigt werde. Richtig sei, da? es kein Grundrecht auf zivilen Ungehorsam geben k?nne; politische Weisheit und der Respekt vor dem gewissenhaften Bürger geb?ten aber M??igung und Toleranz. Diese seien für das Gemeinwesen weniger gef?hrlich als rigide überreaktionen bei der Strafverfolgung.
IV.
In der mündlichen Verhandlung am 15. und 16. Juli 1986 haben sich ge?u?ert:
Für die Beschwerdeführer die Professoren Dr. D?ubler und Dr. Grünwald sowie die Rechtsanw?lte Hemeyer, Leyrer, Niepel und Schmid; der Beschwerdeführer zu 7) pers?nlich; für die Bundesregierung Bundesminister der Justiz Engelhard sowie die Ministerialdirektoren Dr. Bülow und Schneider und Ministerialrat Dr. Kammerloher; für die Bayerische Staatsregierung Staatsminister der Justiz Lang und Prof. Dr. Isensee; für das Justizministerium Baden-Württemberg Justizminister Dr. Eyrich; für die Gewerkschaft der Polizei deren Vorsitzender Schr?der und Gewerkschaftssekret?r Heyn; als Sachverst?ndige die Professoren Dr. Callies und Pr?sident des Landgerichts a. D. Dr. Tr?ndle.
B.
Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 6), welche die Sitzdemonstration in Neu-Ulm betrifft, ist zul?ssig und begründet. Die übrigen zul?ssigen Verfassungsbeschwerden waren zurückzuweisen; insoweit konnte infolge Stimmengleichheit ein Versto? gegen das Grundgesetz nicht festgestellt werden (§15 Abs. 3 Satz 3 BVerfGG).
I.
In Rechtsprechung und Literatur ist nicht nur die verfassungsrechtliche, sondern vor allem die strafrechtliche Beurteilung von Sitzdemonstrationen der vorliegenden Art. umstritten. Solche Aktionen sind dadurch gekennzeichnet, da? Zufahrten zu milit?rischen Einrichtungen ohne jedes gewaltt?tige Verhalten und zumeist nach vorheriger ?ffentlicher Ankündigung durch Verweilen auf der Fahrbahn versperrt werden und da? die Teilnehmer ein polizeiliches Einschreiten widerstandslos über sich ergehen lassen. Da? derartige Demonstrationen jedenfalls nach rechtm??iger Aufl?sung als Ordnungswidrigkeiten, n?mlich als Zuwiderhandlung gegen versammlungs- und verkehrsrechtliche Vorschriften geahndet werden k?nnen, wird - soweit ersichtlich - nicht in Zweifel gezogen. Zahlreiche Strafgerichte haben sie im Anschlu? an das Laepple-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGHSt 23, 46) darüber hinaus als verwerfliche N?tigung mit dem Mittel der Gewalt beurteilt (vgl. neben OLG Stuttgart, NJW 1984, S. 1909 insbesondere KG, NJW 1985, S. 209; OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 942; BayObLG, JZ 1986, S. 404), w?hrend andere Gerichte insoweit zum Freispruch oder zur Einstellung gelangten (vgl. die Nachweise in den Rechtsprechungsübersichten, Leb, KJ 1984, S. 202 und Frankenberg, KJ 1985, S. 301). Das Oberlandesgericht K?ln schlie?lich hat dem Bundesgerichtshof im Anschlu? an dessen Ausführungen in einem anderen Urteil (BGHSt 32, 165) die Frage vorgelegt, ob Demonstrationen, die um der gr??eren ?ffentlichkeit willen auf eine Behinderung der Bewegungs- und Handlungsfreiheit anderer angelegt seien, stets rechtswidrig im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB seien oder ob aufgrund besonderer Umst?nde des Einzelfalles eine Verwerflichkeit entfallen k?nne (NStZ 1986, S. 30; zurückhaltend auch OLG Koblenz, NJW 1985, S. 2432 bei kurzfristigen Behinderungen und OLG Zweibrücken, NJW 1986, S. 1055 für den Fall polizeilicher Umleitungen). Der Bundesgerichtshof hat daraufhin nach Erla? der angegriffenen Entscheidungen durch Beschlu? vom 24. April 1986 (NJW 1986, S. 1883) klargestellt, der Sachverhalt, welcher der Laepple-Entscheidung zugrunde gelegen habe, weiche in wesentlichen Punkten von Sitzblockaden der strittigen Art. ab; der Umstand, da? Demonstranten die von ihnen verursachte Verkehrsbehinderung von vornherein bezweckten, sei nicht stets eine hinreichende Bedingung für das Verwerflichkeitsurteil im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB.
Im Schrifttum hatte bereits die Laepple-Entscheidung eine kritische Diskussion ausgel?st. Gleichwohl hat die Beurteilung der Sitzblockaden als N?tigung unbeschadet gewisser Bedenken Zustimmung gefunden. Jedoch hat die Kritik an dieser Beurteilung in jüngster Zeit zugenommen, wobei sowohl die Einstufung passiver Resistenz als Gewalt als auch die Bewertung als verwerflich beanstandet werden. Teilweise werden auch verfassungsrechtliche Gesichtspunkte sowie Probleme des "zivilen Ungehorsams" er?rtert:
Bergmann, Zur strafrechtlichen Beurteilung von Stra?enblockaden als N?tigung, Jura 1985, S. 457; Blumenwitz, Versammlungsfreiheit und polizeiliche Gefahrenabwehr bei Demonstrationen, in Festschrift für Samper, 1982, S. 131; Brink/Keller, Politische Freiheit und strafrechtlicher Gewaltbegriff, KJ 1983, S. 107; Brohm, Demonstrationsfreiheit und Sitzblockaden, JZ 1985, S. 501; Callies, Der strafrechtliche N?tigungstatbestand und das verfassungsrechtliche Gebot der Tatbestandsbestimmtheit, NJW 1985, S. 1506; Esser in Sch?nke/ Schr?der, StGB, 22. Aufl., 1985, Rdnr. 26 ff. zu § 240; Giehring, Verkehrsblockierende Demonstration und Strafrecht, in Lüderssen/ Sack, Vom Nutzen und Nachteil der Sozialwissenschaften für das Strafrecht, Bd. 2, 1980, S. 513; Kaufmann, Gerechtigkeit - der vergessene Weg zum Frieden, 1986, S. 86; Kniesel, Polizeiliche Lagebeurteilung bei Sitzblockaden nach Ma?gabe der Versammlungsfreiheit, Die Polizei, 1986, S. 217; Kostaras, Zur strafrechtlichen Problematik der Demonstrationsdelikte, 1982; Krau?, Die Beurteilung "passiver Resistenz" - restriktive oder extensive Auslegung der Gewaltn?tigung?, NJW 1984, S. 905; Marxen, Demonstrationsfreiheit und strafrechtlicher Gewaltbegriff, KJ 1984, S. 54; Offenloch, Geforderter Rechtsstaat, JZ 1986, S. 11; Ott, Rechtsprobleme bei der Aufl?sung einer Versammlung in Form eines Sitzstreiks, NJW 1985, S. 2384; Preu?, N?tigung durch Demonstration?, Zur Dogmatik des Art. 8 GG, in Festschrift für R. Schmid, 1985, S. 419; Rinken, Sitzblockaden gegen Raketenstationierung, KJ 1984, S. 44; Sch?fer in Leipziger Kommentar, 10. Aufl., 1986, Rdnrn. 17 ff., 61 ff., 97 ff. zu § 240 StGB; Schmitt, Der Anwendungsbereich von § 1 Strafgesetzbuch (Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz), in Festschrift für Jescheck, 1985, S. 223; Schüler-Springorum, Strafrechtliche Aspekte zivilen Ungehorsams, in Glotz, Ziviler Ungehorsam im Rechtsstaat, 1983, S. 76; Schroeder, Widerstand gegen Willensmittler als N?tigung?, NJW 1985, S. 2392; Sommer, Lücken im Strafrechtsschutz des § 240 StGB?, NJW 1985, S. 769; Wolter, Verfassungskonforme Restriktion und Reform des N?tigungstatbestandes, NStZ 1986, S. 241.
Zur Diskussion über zivilen Ungehorsam: Brieskorn, Der zivile Ungehorsam, in Stimmen der Zeit, 1984, S. 28; Doehring, Staatsr?son, Legalit?t und Widerstandsrecht, in Festschrift für Carl Carstens, 1984, S. 527; Dreier, Widerstandsrecht und ziviler Ungehorsam im Rechtsstaat, in Glotz, Ziviler Ungehorsam im Rechtsstaat, 1983, S. 54; Eckertz, Geburtshelfer des Rechts - Ziviler Ungehorsam im Meinungsstreit, Evangelische Kommentare, 1984, S. 553; Engelhard, Rechtsbewu?tsein der Bürger und demokratische Legitimit?t, Recht 1984, S. 89; Frankenberg, Ziviler Ungehorsam und Rechtsstaatliche Demokratie, JZ 1984, S. 266; Habermas, Ziviler Ungehorsam, in Glotz, Ziviler Ungehorsam im Rechtsstaat, 1983, S. 29; Hassemer, Ziviler Ungehorsam - ein Rechtfertigungsgrund?, in Festschrift für Wassermann, 1985, S. 325; Isensee, Ein Grundrecht auf Ungehorsam gegen das demokratische Gesetz? - Legitimation und Perversion des Widerstandsrechts, in Streithofen (Hrsg.), Frieden im Lande, 1983, S. 155; Karpen, "Ziviler Ungehorsam" im demokratischen Rechtsstaat, JZ 1984, S. 249; Strecker, Ziviler Ungehorsam als Herausforderung an die drei Gewalten, in Festschrift für R. Schmid, 1985, S. 353; Wassermann, Zur Rechtsordnung des politischen Kampfes in der verfassungsstaatlichen Demokratie, JZ 1984, S. 263.
II.
In den Ausgangsverfahren haben die Gerichte die Beschwerdeführer wegen N?tigung gem?? § 240 StGB bestraft. Soweit durch diese Vorschrift N?tigungen mit dem Mittel der Gewalt unter Strafe gestellt werden, ergibt die verfassungsgerichtliche überprüfung, da? die Normierung des § 240 StGB durch den Gesetzgeber dem aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Bestimmtheitsgebot für Strafbestimmungen genügt. Auch die weite Interpretation des Gewaltbegriffes in der Rechtsprechung überschreitet nach Meinung von vier Richtern nicht die Grenzen, die das Grundgesetz für die Auslegung strafrechtlicher Vorschriften zieht; nach Meinung der vier anderen Richter ist es hingegen mit dem aus Art. 103 Abs. 2 GG herleitbaren Analogieverbot unvereinbar, wenn Gerichte die Gewaltalternative des § 240 StGB auf Handlungen der vorliegenden Art. erstrecken.
1.
Art. 103 Abs. 2 GG gew?hrleistet, da? eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen w de. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit dieser Verfassungsnorm in zahlreichen Entscheidungen befa?t und schon früh klargestellt, da? sich ihre Bedeutung nicht im Verbot der gewohnheitsrechtlichen oder rückwirkenden Strafbegründung ersch?pft (BVerfGE 14, 174 (185); St. Rspr.). In sp?teren Entscheidungen ist herausgearbeitet worden, da? Art. 103 Abs. 2 G ein für die Gesetzgebung wesentliches Bestimmtheitsgebot sowie ein damit korrespondierendes, an die Rechtsprechung gerichtetes Verbot strafbegründender Analogie enth?lt. Aus A a? eines Falles, in dem Art. 103 Abs. 2 GG durch unzul?ssige Auslegung der angewandten Strafnorm verletzt worden war, hat das Bundesverfassungsgericht die Grunds?tze seiner bisherigen Rechtsprechung wie folgt zusammengefa?t (BVerfGE 71 ,108 (114 ff.); vgl. auch BVerfGE 47,109 (123 f.); 64, 389 (393 f.)):
Art. 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber - neben dem hier nicht zu er?rternden Rückwirkungsverbot -, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, da? Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbest?nde zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Diese Verpflichtung dient einem doppelten Zweck. Es geht einerseits um den rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten: Jedermann soll vorhersehen k?nnen, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Im Zusammenhang damit soll andererseits sichergestellt werden, da? der Gesetzgeber über die Strafbarkeit entscheidet. Insoweit enth?lt Art. 103 Abs. 2 GG einen strengen Gesetzesvorbehalt, der es der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt verwehrt, über die Voraussetzungen einer Bestrafung selbst zu entscheiden.
Wenn hiernach Strafvorschriften in der, dargelegten Weise bestimmt sein müssen, so schlie?t dies nicht eine Verwendung von Begriffen aus, die in besonderem Ma?e der Deutung durch den Richter bedürfen. Auch im Strafrecht steht der Gesetzgeber vor der Notwendigkeit, er Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung zu tragen. Auch i es wegen der Allgemeinheit und Abstraktheit von Strafnormen unvermeidlich, da? in Grenzf?llen zweifelhaft sein kann, ob ein Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand f?llt oder nicht. Jedenfalls im Regelfall mu? der Normadressat aber anhand der gesetzlichen Regelung voraussehen k?nnen, ob ein Verhalten strafbar ist. In Grenzf?llen ist auf diese Weise für ihn wenigstens das Risiko einer Bestrafung erkennbar. Unter diesem Aspekt ist für die Bestimmtheit einer Strafvorschrift in erster Linie der für den Adressaten erkennbare und verstehbare Wortlaut des gesetzlichen Tatbestandes ma?gebend.
Das Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit schlie?t nach der Rechtsprechung eine analoge oder gewohnheitsrechtliche Strafbegründung aus. Dabei ist "Analogie" nicht im engeren technischen Sinne zu verstehen; ausgeschlossen ist vielmehr jede Rechts-"Anwendung", die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht. Art. 103 Abs. 2 GG zieht der Auslegung von Strafvorschriften eine verfassungsrechtliche Schranke. Da Gegenstand der Auslegung gesetzlicher Bestimmungen immer nur der Gesetzestext sein kann, erweist dieser sich als ma?gebendes Kriterium: Der m?gliche Wortsinn des Gesetzes markiert die ?u?erste Grenze zul?ssiger richterlicher Interpretation. Wenn, wie gezeigt, Art. 103 Abs. 2 GG Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit der Strafandrohung für den Normadressaten verlangt, so kann das nur bedeuten, da? dieser Wortsinn aus der Sicht des Bürgers zu bestimmen ist.
Daraus folgt: Der Gesetzgeber hat zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er ein bestimmtes Rechtsgut, dessen Schutz ihm wesentlich (und notwendig) erscheint, gerade mit den Mitteln des Strafrechts verteidigen will. Den Gerichten ist es verwehrt, seine Entscheidung zu korrigieren. Führt erst eine über den erkennbaren Wortsinn der Vorschrift hinausgehende "Interpretation" zu dem Ergebnis der Strafbarkeit eines Verhaltens, so darf dies nicht zu Lasten des Bürgers gehen. Die Gerichte müssen daher in F?llen, die vom Wortlaut einer Strafnorm nicht mehr erfa?t sind, zum Freispruch gelangen. Dies gilt auch dann, wenn als Folge der wegen des Bestimmtheitsgebots m?glichst konkret abzugrenzenden Strafnorm besonders gelagerte Einzelf?lle aus dem Anwendungsbereich eines Strafgesetzes herausfallen, mag auch das Verhalten in ?hnlicher Weise strafwürdig erscheinen. Insoweit mu? sich der Gesetzgeber beim Wort nehmen lassen. Es ist seine Sache zu entscheiden, ob er die sich aus einer m?glichen Strafbarkeitslücke ergebende Lage bestehen lassen oder eine neue Regelung schaffen will. Den Gerichten jedenfalls ist es durch Art. 103 Abs. 2 GG verboten, dieser Entscheidung vorzugreifen.
An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Auch im Schrifttum wird ihr - abgesehen von hier nicht interessierenden Einzelheiten - weitgehend zugestimmt (vgl. die Nachweise bei Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht (Art. 103 Abs. 2 GG), 1986, S. 220 ff.). Gewarnt wird allerdings vor der Gefahr, die Rechtsprechung k?nne zu einem Verbalbekenntnis werden, da sie dazu neige, die M?glichkeit von Verletzungen des Bestimmtheitsgebots und des Analogieverbots im Einzelfall allzu gro?zügig zu beurteilen (Krahl, a.a.O., S. 412).
2.
Eine Prüfung des § 240 StGB am Ma?stab des Art. 103 Abs. 2 GG ergibt unter Anwendung der dargelegten Grunds?tze zun?chst, da? jedenfalls die Normierung der Gewaltalternative durch den Gesetzgeber nicht zu beanstanden ist.
Schutzgut des N?tigungstatbestandes ist erkennbar die Freiheit der Willensentschlie?ung und Willensbet?tigung (vgl. etwa Eser, a.a.O., § 240 Rdnr. 1). Der Gesetzgeber hat indessen nicht jede Zwangseinwirkung auf diese Freiheit unter Strafe gestellt, sondern aus der Fülle zwischenmenschlicher Einwirkungsm?glichkeiten diejenigen als sozialsch?dlich heraus gegriffen, bei denen mit bestimmten Mitteln gen?tigt wird: durch Gewagt oder durch Drohung mit einem empfindlichen übel. Die vorliegenden Verfahren geben keinen Anla?, auf das nicht ganz unstreitige Verh?ltnis der beiden Tatbestandsalternativen zueinander n?her einzugehen (kritisch dazu insbesondere Sommer, a.a.O.). Jedenfalls ist erkennbar, da? der Gesetzgeber mit der Gewaltalternative die gegenw?rtige Zufügung einer Beeintr?chtigung unter Strafe stellt, w?hrend die Drohungsalternative den Fall der blo?en Ankündigung eines künftigen übel erfa?t. Dabei verwendet er mit dem Begriff der Gewalt ein sprachlich verst?ndliches Merkmal, das auch in zahlreichen anderen Strafvorschriften vorkommt, das zwar für eine Auslegung offen sein mag, dessen Tragweite sich aber durch eine an Wortlaut und Gesetzeszweck orientierte Auslegung in einer für den Bürger hinreichend vorhersehbaren Weise ermitteln l??t.
Für die verfassungsrechtliche Beurteilung des N?tigungstatbestandes ist weiter bedeutsam, da? nach der gesetzlichen Regelung auch eine N?tigung mit dem Mittel der Gewalt nur dann strafbar sein soll, wenn sie rechtswidrig erfolgt. Zur n?heren Bestimmung der Rechtswidrigkeit wurde im Jahre 1943 zugleich mit der Ausweitung der Drohungsalternative (ursprünglich: "Bedrohung mit einem Verbrechen oder Vergehen") eine Regel in Gestalt des § 240 Abs. 2 StGB eingeführt, wonach sich die Strafwürdigkeit einer Tat nicht schon aus dem angewandten Mittel, sondern erst aus einer mi?billigenswerten Verbindung von Mittel und Zweck ergibt. Nach der bereinigten Fassung der Regel durch das Dritte Strafrechts?nderungsgesetz vom 4. August 1953 (BGBl. I S. 735) ist die Tat dann rechtswidrig, "wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist". Die Beurteilung als verwerflich knüpft nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an sozial-ethische Wertungen an; sie wird bejaht, wenn das Verhalten nach allgemeinem Urteil sittlich in so hohem Ma?e mi?billigenswert erscheint, da? es sich als strafwürdiges Unrecht darstellt (vgl. etwa BGHSt 17,328 (332); 18,389 (391); 19,263 (268); BGH, VRS 40, 104 (107); ebenso OLG Koblenz, NJW 1985, S. 2432 (2433); OLG K?ln, NStZ 1986, S. 30 (32) und BayObLG, JZ 1986, S. 404 (405) in Verfahren betreffend Sitzblockaden). Um einen Rückgriff auf au?errechtliche Wertungsma?st?be zu vermeiden, wird demgegenüber im Schrifttum versucht, die Beurteilung mehr auf den Gesichtspunkt der sozialen Unertr?glichkeit abzustellen (vgl. etwa Welzel, Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl., 1969, S. 327).
Wie immer der Begriff der Verwerflichkeit zu verstehen sein mag: Es ist nicht zu verkennen, da? durch die Verwerflichkeitsregel des § 240 Abs. 2 StGB die Entscheidung darüber, was im Einzelfall als N?tigung zu bestrafen ist, in erheblichem Umfang auf den Richter verlagert wird. Damit entsteht die Gefahr, da? nicht mehr die vor der Tat getroffene Konfliktsregelung des Gesetzgebers, sondern die nach der Tat vom Richter empfundene Strafwürdigkeit zur Grundlage der Bestrafung wird. Demgem?? wird im Schrifttum bezweifelt, ob die Regelung hinreichend bestimmt im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 103 Abs. 2 GG ist (vgl. die Nachweise bei Sch?fer, a.a.O., Rdnr. 60). Die Bedenken werden gef?rdert durch eine Formulierung des Gro?en Senats des Bundesgerichtshofs für Strafsachen, der dem Richter bei der Anwendung des § 240 StGB ausdrücklich Wertungen anstelle des Gesetzgebers zuerkannte (BGHSt 2, 194 (195 f.)). Bei diesen Bedenken bleibt indessen au?er acht, da? es sich bei der strittigen Verwerflichkeitsregel - unabh?ngig von ihrer strafrechtlichen Einordnung - um ein tatbestandsregulierendes Korrektiv handelt, das die Strafbarkeit der durch andere Merkmale umschriebenen N?tigungshandlung beschr?nkt und dessen Anwendung sich insoweit zugunsten des T?ters auswirkt. Da diese Einschr?nkung von den Umst?nden des jeweiligen Falles abh?ngt, entzieht sie sich einer im voraus bestimmbaren normativen Umschreibung in ?hnlicher Weise wie die Güterabw?gung im Falle des Notstandes (§ 34 StGB) oder der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB). In derartigen F?llen ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn d Gesetzgeber sich mit sprachlich verst?ndlichen wertungsabh?ngigen Begriffen begnügt und deren Anwendung im Einzelfall dem Richter übertr?gt (vgl. auch Sch?fer, a.a.O., Rdnr. 65; Eser, a.a.O., Rdnr. 18).
3.
Verfassungsrechtlich zweifelhaft kann nach alledem nicht schon die normative Regelung durch den Gesetzgeber, sondern allenfalls deren Auslegung durch die Gerichte sein, welche 28 Professoren des Strafrechts veranla?t hat, in Eingaben an das Bundesverfassungsgericht grunds?tzliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 240 StGB anzumelden.
a) Die Tragweite der Gewaltalternative des § 240 StGB ist von den Gerichten im Laufe der Zeit in einer Weise verbreitert worden, die als " Vergeistigung" oder "Entmaterialisierung" des Gewaltbegriffs kritisiert wird. Damit sollte dem Bedürfnis entsprochen werden, strafwürdiges Verhalten ausreichend zu ahnden und m?gliche Strafbarkeitslücken zu vermeiden. Anla? dazu gaben F?lle wie die Abgabe von Schreckschüssen (RGSt 60, 157; 66, 353), das Versperren des Weges durch eine bedrohliche Menschenmenge (RGSt 45, 153), das Verschlie?en von Türen (RGSt 69! 327), die listige Beibringung von Bet?ubungsmitteln (BGHSt 1/145), das Bedr?ngen auf der Autobahn (BGHSt 19, 263) und schlie?lich Vorlesungsst?rungen (BGH, NJW 1982, S. 189) sowie Sitzblockaden (BGHSt 23, 46).
Die Ausweitung des Gewaltbegriffs ist im wesentlichen in drei Schritten verlaufen, die sich allerdings nicht genau voneinander trennen lassen (vgl. dazu den überblick bei Blei, Die Aufl?sung des strafrechtlichen Gewaltbegriffs, JA 1970, S. 19; Sch?fer, a.a.O., Rdnr. 7 ff.; Keller, Die neue Entwicklung des strafrechtlichen Gewaltbegriffs in der Rechtsprechung, JuS 1984, S. 109 ff.).Das Reichsgericht verstand ursprünglich unter Gewalt die Entfaltung von k?rperlicher Kraft durch den T?ter zur überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstands (vgl. etwa RGSt 56, 87 für den Fall eines Raubes und RGSt 64, 113 für den Fall eines Sittlichkeitsdelikts). Nachdem schon das Reichsgericht die Anforderungen an die Kraftentfaltung durch den T?ter mitunter recht niedrig angesetzt hatte, hielt der Bundesgerichtshof auf der zweiten Stufe die Einwirkung auf den K?rper des Opfers für entscheidend; Gewalt liege auch vor, wenn der T?ter durch k?rperliche Handlungen die Ursache dafür setze, da? der wirkliche oder erwartete Widerstand des Angegriffenen durch ein unmittelbar auf dessen K?rper einwirkendes Mittel gebrochen oder verhindert werde, gleichviel, ob der T?ter dazu gr??ere oder nur geringere K?rperkraft brauche (BGHSt 1, 145 für den Fall der heimlichen Beibringung eines Bet?ubungsmittels). Auf der dritten Stufe schlie?lich stellte der Bundesgerichtshof allgemein auf eine die Freiheit der Willensentschlie?ung oder Willensbet?tigung beeintr?chtigende Zwangswirkung ab (BGHSt 8, 102 - Massenstreik; 19, 263 - Bedr?ngen auf der Autobahn; vgl. auch BGHSt 23, 126 - Vorhalten einer Schu?waffe). Am weitesten ging das Laepple-Urteil aus dem Jahre 1969 (BGHSt 23, 46 (53 f.)), das den Protest gegen Fahrpreiserh?hungen durch Sitzblockaden auf Stra?enbahnschienen betraf. Sowohl das Erfordernis k?rperlichen Kraftaufwandes des T?ters als auch die Einwirkung auf den K?rper des Opfers verloren nunmehr ihre ma?gebliche Bedeutung; es genüge, da? der T?ter mit nur geringem Kraftaufwand einen lediglich psychisch determinierten Proze? in Lauf setze und dadurch einen unwiderstehlichen Zwang auf den Gen?tigten ausübe.
An diese Rechtsprechung haben die Gerichte in den Ausgangsverfahren angeknüpft, wenn sie Sitzdemonstrationen, bei welchen Zufahrten zu milit?rischen Einrichtungen ohne gewaltt?tiges Verhalten durch Niedersetzen und Verharren auf der Fahrbahn versperrt wurden, als N?tigung mit dem Mittel der Gewalt beurteilen. Nach Ansicht des ersten Strafsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart haben die an der Sitzblockade in Stuttgart-Vaihingen beteiligten Demonstranten n?tigende Gewalt angewandt, indem sie sich auf der Fahrbahn für einige Zeit so niedergelassen h?tten, da? die gesamte Fahrbahn versperrt gewesen sei und Kraftfahrer zum Halten gezwungen worden seien; durch den massierten k?rperlichen Einsatz sei auf Fahrzeugführer ein unwiderstehlicher Zwang ausgeübt worden, der sie an der Weiterfahrt auf einer ?ffentlichen Stra?e gehindert habe (NJW 1984, S. 1909 (1910)). Dieses Verst?ndnis wird nach Meinung des dritten Strafsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart nicht nur vom Wortlaut des § 240 StGB, sondern auch von dessen Sinn gedeckt. Gemessen am Schutzzweck sei mindestens eine in N?tigungsabsicht errichtete k?rperliche Sperre, die - wenn der Gen?tigte sich nicht beuge - notwendigerweise zum unmittelbaren Zusammensto? zwischen T?ter und Opfer führe und die nur durch Gegengewalt des Gen?tigten überwunden werden k?nne, ebenso zu bewerten wie ein direkter, zum Zwecke der N?tigung vorgetragener k?rperlich Angriff. Sehe sich der Gen?tigte aus Gewissensgründen oder zumindest aus Furcht vor strafrechtlichen Konsequenzen da n gehindert, gegen den T?ter mit überlegener Gegengewalt zugehen, wirke eine von Menschen gebildete Sperre auch seelisch auf den Gen?tigten. Demgem?? k?nne eine Menschenkette ein Hindernis bilden, so da? auch hier die durch den k?rperlichen Einsatz der Blockierer erzwungene Verhaltensweise aufgrund der Wechselwirkung k?rperlicher und seelischer Funktionen zustande komme. Auch das Amtsgericht Neu-Ulm hat einen Zwang zum Anhalten darin erblickt, da? die Gen?tigten im Falle des Weiterfahrens die Demonstranten gef?hrdet und sich selbst strafbar gemacht h?tten. Im übrigen hat es sich mit der Feststellung begnügt, der Beschwerdeführer zu 6) habe bei seiner Teilnahme an der Sitzblockade in Neu-Ulm damit begonnen, psychische Gewalt anzuwenden, indem er durch den Einsatz se es K?rpers gemeinsam mit den anderen Demonstranten ein Ein- und Ausfahren von Fahrzeugen unm?glich gemacht habe.
Diese Auffassung hat das Bayerische Oberste Landesgericht durch Verwerfung der Revision gebilligt. In einem sp?teren Urteil über Sitzblockaden (JZ 1986, S. 404) hat es ausgeführt, die heutige Rechtsprechung lasse gegenüber der früheren einen gewissen Wandel erkennen, da der Gewaltbegriff ausgedehnt und der Schwerpunkt auf die beim Opfer eingetretene Zwangswirkung verlagert worden sei; dies trage den subtilen und sublimen Formen von Zwangseinwirkungen zwischen Menschen Rechnung und dem Umstand, da? sich die Ausl?sung psychischer Hemmungen des Opfers ebenso auswirke k?nne wie k?rperlicher Zwang.
Anders als bei der verfassungsrechtlichen Würdigung der vom Gesetzgeber getroffenen normativen Regelung besteht im Senat über die Beurteilung der geschilderten Auslegung keine übereinstimmung.
aa) Nach Meinung n vier Richtern, deren Auffassung das Urteil tr?gt, ist die Ausweitung der Gewaltalternative durch die Gerichte mit Art. 103, Abs. 2 GG zu vereinbaren, da sie die Grenzen zul?ssiger Auslegung nicht überschreitet. Diese Richter folgen im Ergebnis der bisherigen Rechtsprechung, die namentlich in der Kommentarliteratur unbeschadet gewisser Bedenken Zustimmung gefunden hat (vgl. etwa Eser, a.a.O., Vorbem. § 234 Rdnr. 6 ff.; Sch?fer, a.a.O., Rdnr. 28 ff.; Dreher/Tr?ndle, StGB, 42. Aufl., 1985, § 240 Rdnr. 3 f.) und die in der mündlichen Verhandlung von Prof. Dr. Tr?ndle zustimmend erl?utert wurde.
Durch die weite Auslegung des Gewaltbegriffs wird die Freiheit der Willensentschlie?ung und Willensbet?tigung, die das Gesetz mit der N?tigungsvorschrift bezweckt, in wirksamer Weise auch gegenüber solchen strafwürdigen Einwirkungen geschützt, die zwar sublimer, aber ?hnlich wirksam wie k?rperlicher Kraftaufwand sind. Die Ausweitung h?lt sich innerhalb der vom m?glichen Wortsinn markierten Grenzen richterlicher Auslegung. Denn der Gewaltbegriff ist nicht v?llig eindeutig und daher auslegungsf?hig. Nicht nur wird er für unterschiedliche Bedeutungen verwendet, für welche andere Sprachen verschiedene Worte vorsehen, n?mlich einmal als Bezeichnung für gewaltsame Kraftanwendung (violence), ferner als Umschreibung für Herrschaftsmacht (pouvoir, power) und schlie?lich als Metapher für besonders intensive oder elementare Vorg?nge (z. B. gewaltige Rede). Sogar im Zusammenhang mit der zuerst genannten Bedeutung wird nicht ausschlie?lich die Anwendung physischer Kraft als Gewalt umschrieben, sonder auch allgemein ein unrechtm??iges Vorgehen, durch das ein anderer zu etwas gezwungen wird (Duden, Das gro?e W?rterbuch der deutschen Sprache, 1977, Bd. 3, S. 1027). Die der Auslegung vom Wortsinn gezogene Grenze wird demgem?? jedenfalls dann eingehalten, wenn die auf das Opfer ausgeübte unausweichliche Zwangswirkung den Einsatz einer gewissen, wenn auch geringfügigen k?rperlichen Kraft durch den T?ter (hier: Bildung einer lebenden Barriere durch Niederlassen auf dem blockierten Zufahrt) einschlie?t. Unter dieser Voraussetzung stellt die Gewaltalternative als gegenw?rtige Zufügung eins empfindlichen übels auch in ihrer erweiterten Auslegung eine durchaus eigenst?ndige Erg?nzung zu der zweiten Begehungsform des § 240 StGB dar, bei der es um die künftige Androhung eines solchen übels geht.
Verfassungsrechtliche Bedenken greifen nach Ansicht der vier Richtet auch dann nicht durch, wenn der doppelte Regelungszweck des Analogieverbots berücksichtigt wird. Zwar mag es sich um einen jener Grenzf?lle handeln, in denen zweifelhaft sein k?nnte, ob ein Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand f?llt oder nicht. Das Risiko einer Bestrafung war aber für den Staatsbürger zumindest aufgrund der im Schrifttum weithin anerkannten Rechtsprechung vorhersehbar (zu deren Bedeutung v l. BVerfGE 14, 245 (253); 28, 175 (183); 37, 201 (208); 26, 41 (42 f.); 57, 250 (262)); die Beschwerdeführer behaupten selbst nicht, sie h?tten mit einer Bestrafung nicht gerechnet. Mit dem anderen Regelungszweck des Analogieverbots - der Sicherung der gesetzgeberischen Verantwortung - ist die weite Auslegung des Gewaltbegriffs schon deshalb nicht unvereinbar, weil der Gesetzgeber durch Verwendung des Begriffs "Gewaltt?tigkeit" - ?hnlich wie bei anderen Strafvorschriften (vgl. §§113 Abs. 2 Nr. 2, 124 ff. StGB) - einen engeren Anwendungsbereich der N?tigungsvorschrift h?tte sicherstellen k?nnen. Er hat aber nicht einmal bei Novellierungen die dargestellte Rechtsprechung als Anla? zum Einschreiten genommen, sondern sich damit begnügt, an der Verwerflichkeitsklausel des Absatzes 2 als Korrektiv für die Ausweitung des Gewaltbegriffs festzuhalten.
bb) Die vier anderen Richter stimmen demgegenüber im Ergebnis denjenigen Kritikern zu, welche die Ausweitung des Gewaltbegriffs für unvereinbar mit dem Analogieverbot halten (vgl. im einzelnen etwa Callies, a.a.O., S. 1509 ff.; Wolter, a.a.O., S. 246 ff. - beide m. w. N.; ferner Kaufmann, a.a.O. und Giehring, a.a.O., S. 517 ff.). Auch nach Ansicht dieser Richter sind Sitzdemonstrationen der vorliegenden Art. nicht rechtm??ig, sondern schon nach geltendem Recht als Verletzung versammlungs- und verkehrsrechtlicher Vorschriften zu beurteilen. N?tigende Gewalt im Sinne des § 240 StGB kann den Teilnehmern hingegen nicht zur Last gelegt werden; diese haben sich vielmehr - abgesehen von strafrechtlich irrelevanten Vorbereitungshandlungen (Betreten und Niederlassen auf der freien Fahrbahn) - v?llig passiv, also gerade nicht gewaltsam verhalten. Tats?chlich ist in den Ausgangsverfahren nicht festgestellt worden, da? sich die behinderten Fahrer durch Gewalt gen?tigt gefühlt h?tten. Diese haben auf Anordnung der Polizei und ihrer Vorgesetzten angehalten oder aber aus Respekt vor der geltenden Wertordnung, der sie an einer Gef?hrdung der Demonstranten durch Erzwingung der Weiterfahrt hinderte und der ihnen von den Demonstranten gerade durch das Mittel der Wehr- und Gewaltlosigkeit abgen?tigt wurde.
Die Erstreckung des Gewaltbegriffs auf ein solches Verhalten war für den Staatsbürger schon nicht vorhersehbar, wenn dabei auf den für die Vorhersehbarkeit ma?geblichen Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes abgestellt wird. Immerhin hatte das Reichsgericht noch im Jahre 1921 ausdrücklich hervorgehoben, das geltende deutsche Recht verstehe in übereinstimmung mit dem gew?hnlichen Sprachgebrauch bis zur Gegenwart unter Gewalt ausschlie?lich die durch Anwendung k?rperlicher Kraft erfolgte Beseitigung eines Widerstandes (RGSt 56, 87 (88)). Auch die Gro?e Strafrechtskommission hatte einger?umt, der Sprachgebrauch verbinde mit dem Begriff der gegen eine bestimmte Person gerichteten Gewalt nun einmal die Vorstellung einer nicht unerheblichen Kraftentfaltung; der Gewaltbegriff dürfe nicht auf einen Umfang ausgedehnt werden, der mit diesem Sprachgebrauch nicht mehr vereinbar erscheine (Entwurf 1960, S. 114). Als demgegenüber der Bundesgerichtshof zu einer Auslegung überging, für die es vor 1945 ein damals zul?ssigen, aber rechtsstaatswidrigen Analogie zu Lasten von Straft?tern bedurfte (vgl. RGSt 72, 349 (351) - zur Anwendung von Bet?ubungsmitteln), und dann im Laepple-Urteil sogar die Verursachung einer unausweichlichen Zwangswirkung durch einen psychisch determinierten Proze? als Gewalt eingestufte (BGHSt 23, 46 (54)), hat sich dagegen alsbald Kritik gemeldet; eine für die Vorhersehbarkeit durch den Staatsbürger wesentliche und für den polizeilichen Einsatz wünschenswerte gefestigte Rechtsauffassung konnte sich daher nicht bilden, und zwar um so weniger als auch der Bundesgerichtshof an den Gewaltbegriff im Falle von Vergewaltigungen erheblich strengere Anforderungen stellte und nicht einmal ein Einschlie?en in einem umschlossenen Raum als Gewaltanwendung genügen (NJW 1981, S. 2204).
Da? die Ausweitung des Gewaltbegriffs auf Sitzdemonstrationen der vorliegenden Art. die Grenzen der nach anerkannten Regeln zul?ssigen Auslegung überschreitet, ergibt sich nach Ansicht der vier Richter insbesondere aus der Gesetzessystematik des § 240 StGB. Diese l??t - wie bereits erw?hnt - unmi?verst?ndlich erkennen, da? der Gesetzgeber nicht jede Zwangseinwirkung auf die Freiheit der Willensentschlie?ung und Willensbest?tigung unter Strafe gestellt, sondern einen numerus clausus der Zwangsmittel vorgesehen hat. H?tte ihm die Verursachung einer unausweichlichen Zwangswirkung genügt, dann h?tte er auf die Nennung dieser Zwangsmittel verzichten k?nnen; denn das Bewirken von Zwang folgt bereits aus dem Begriff "n?tigen".
Zudem wird - wie bereits das Reichsgericht dargelegt hat (RGSt 64, 113) - durch die "Vergeistigung" des Gewaltbegriffs dessen Abgrenzung zur "Drohung mit einem empfindlichen übel" verwischt, so da? die Drohungsalternative im wesentlichen in der Gewaltalternative aufgeht und beide entgegen der klaren gesetzlichen Regelung ihre eigenst?ndige Bedeutung verlieren. Wenn aber der Gesetzgeber zur Eingrenzung der Strafbarkeit einen numerus clausus bestimmter N?tigungsmittel für erforderlich h?lt, dann gebietet es die Verfassungsnorm des Art. 103 Abs. 2 GG, ihn an dieser Entscheidung auch dann festzuhalten, wenn die Rechtsanwendung Lücken hinterlassen sollte; es kann nicht Sache der Rechtsprechung sein, solche Lücken dadurch zu schlie?en, da? der Wortsinn der Tatbestandsmerkmale entleert und die vom Gesetzgeber vorgesehenen Grenzen der Strafbarkeit unter Rückgriff auf den Strafzweck unterlaufen werden. Dies führt im übrigen zu dem schwer verst?ndlichen Ergebnis, da? praktisch jede Verkehrsbehinderung durch Demonstrationen und ?hnliche Menschenansammlungen - auch bei unbezweifelbar rechtm??igen Veranstaltungen - !tatbestandsm??ig als Gewalt im Sinne der N?tigungsvorschrift angesehen werden mü?te.
Eine strikte Befolgung des Analogieverbots ist um so unerl??licher, als es sich in den Ausgangsverfahren nicht um die Bek?mpfung eigennütziger Kriminalit?t, sondern um die Strafverfolgung in einem Lebensbereich handelt, dessen Ordnung in besonderem Ma?e verantwortliche gesetzgeberische Entscheidungen erfordert. Die Teilnehmer von Sitzblockaden verstehen diese als Teil der Auseinandersetzungen über hochpolitische Streitfragen. Wie immer ihr Verhalten zu beurteilen sein mag: Es liegt in hohem Ma?e im Allgemeininteresse, da? solche Auseinandersetzungen frei von Gewaltt?tigkeiten bleiben und da? die Grenze zwischen gewaltt?tigem und gewaltlosem Verhalten klare Konturen beh?lt. Die anderweitig zu Recht beklagte begriffliche Verwirrung wird von den staatlichen Organen selbst begünstigt, wenn psychische Zwangswirkungen durch friedliche Sitzblockaden ebenso als Gewalt behandelt werden wie eine N?tigung durch k?rperliche Gewaltt?tigkeit. Soll dies geschehen, dann mu? dies jedenfalls vom Gesetzgeber verantwortet werden. Dies sicherzustellen, ist einer der beiden Regelungszwecke des Analogieverbots, das die Normierung von Straftatbest?nden strikt dem Gesetzgeber vorbeh?lt und in dieser Bedeutung nicht allein auf der rechtsstaatlichen Forderung nach Vorhersehbarkeit beruht, sondern zugleich auf dem Demokratieprinzip und der daraus folgenden besondere Verantwortung des Gesetzgebers, ferner auf dem Grundsatz er Gewaltenteilung und der damit bezweckten M??igung d Staatsgewalt und schlie?lich auf dem Gedanken, da? das Strafrecht zum Schutz der pers?nlichen Freiheit notwendig fragmentarisch bleiben mu? (vgl. auch v. Münch, GG, 2. Aufl., 1983, Art. 103 Rdnr. 17).
III.
Die Verfassung gebietet es nach übereinstimmender Ansicht des Senats nicht, Sitzdemonstrationen der vorliegenden Art. sanktionslos zu lassen. Geboten ist jedoch eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung des § 240 StGB in dem Sinne, da? die Bejahung n?tigender Gewalt im Falle einer Ausweitung dieses Begriffes nicht schon zugleich die Rechtswidrigkeit der Tat indiziert, da? vielmehr die vom Gesetzgeber als Korrektiv vorgesehene Verwerflichkeitsklausel des Absatzes 2 unter Berücksichtigung aller Umst?nde heranzuziehen ist. Da dies bei der Beurteilung der Sitzblockade in Neu-Ulm unterblieben ist, mu?te der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 6) stattgegeben werden. Auch in den anderen F?llen mü?te nach Meinung von vier Richtern eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung des § 240 StGB zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen führen, da Handlungen der vorliegenden Art. bei Berücksichtigung aller Umst?nde einschlie?lich der von den Demonstranten verfolgten Protestziele in der Regel nicht als verwerflich zu qualifizieren sind, sofern nicht besondere Umst?nde hinzutreten. Nach der das Urteil tragenden Meinung der vier anderen Richter ist die Beurteilung der für die Verwerflichkeit ma?gebenden Umst?nde Sache der Strafgerichte, deren Entscheidungen in den Ausgangsverfahren keine Fehler erkennen lassen, die auf einer grunds?tzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts beruhen.
1.
Wenn der Gesetzgeber Sitzdemonstrationen der vorliegenden Art. als Ordnungswidrigkeit oder auch als strafwürdiges Unrecht einstuft, dann ist das verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die Beschwerdeführer verstehen ihre Aktionen als kollektive Kundbarmachung von Meinungen durch symbolische Handlungen, n?mlich als zwar ohnm?chtigen, aber aufsehenerregenden Protest gegen den lebensgef?hrlichen atomaren Rüstungswettlauf und damit als Ausübung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit (vgl. dazu BVerfGE 69, 315 (343)). Ihre Sitzblockaden fallen nicht schon deshalb aus dem Geltungsbereich dieses Grundrechts heraus, weil ihnen eine mit dem Mittel der Gewalt begangene N?tigung zur Last gelegt wird. Zwar gew?hrleistet Art. 8 GG nur das Recht, sich "friedlich" zu versammeln (vgl. dazu BVerfGE a.a.O., S. 359 f.). Der verfassungsrechtliche Begriff der Unfriedlichkeit kann aber nicht mit dem von der Rechtsprechung entwickelten weiten Gewaltbegriff des Strafrechts gleichgesetzt werden. Dagegen spricht bereits, da? die Verfassung die Unfriedlichkeit in gleicher Weise wie das Mitführen von Waffen bewertet, also ersichtlich ?u?erliche Handlungen von einiger Gef?hrlichkeit wie etwa Gewaltt?tigkeiten oder aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen meint und die Anwendbarkeit des Grundrechts nicht davon abh?ngig macht, ob eine Behinderung Dritter gewollt ist oder nur in Kauf genommen wird. Jedenfalls besteht angesichts der weiten Fassung des Gesetzesvorbehalts in Absatz 2 des Art. 8 GG keine Notwendigkeit, den Begriff der Friedlichkeit eng zu verstehen und damit den Geltungsbereich der Grundrechtsgew?hrleistung von vornherein derart einzuschr?nken, da? der Gesetzesvorbehalt weitgehend funktionslos wird (in diesem Sinne auch Herzog in Maunz/Dürig, GG, 1981, Art. 8 Rdnr. 58 ff.; Hoffmann-Riem in Wassermann (Hrsg.), GG (Reihe Alternativkommentare), Art. 8 Rdnr. 17 f.; v. Münch, GG, 3. Aufl., Art. 8 Rdnr. 19; Erichsen, Zu den Grenzen der Demonstrationsfreiheit, VerwArch. Bd. 64,5. 197 (200); Rinken, a.a.O., 5.47; Preu?, a.a.O., S. 429 und 444; Kostaras, a.a.O., S. 166 ff.; Ott, a.a.O., S. 2384; Blumenwitz, a.a.O., S. 139 f.; Kniesel, a.a.O., S. 219 ff.; Giehring, a.a.O., S. 533 f.; Schw?ble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, 1975, S. 118 ff.). Sofern sich die Teilnehmer auf passive Resistenz beschr?nken und insoweit friedlich bleiben, wird auch im Schrifttum überwiegend davon ausgegangen, da? Sitzblockaden als Versammlungen im Sinne von Art. 8 GG behandelt werden k?nnen. Damit steht in Einklang, da? auch das Versammlungsgesetz nur Versammlungen mit gewaltt?tigem oder aufrührerischem Verlauf als unfriedlich behandelt (§§ 5 Nr. 3, 13 Abs. 1 Nr. 2).
Die Heranziehung des Art. 8 GG führt indessen nicht dazu, die Sitzblockaden der Beschwerdeführer als rechtm??ig einzustufen. Der erw?hnte Satz 2 des Art. 8 GG sieht ausdrücklich vor, da? der Gesetzgeber das Grundrecht für Versammlungen unter freiem Himmel beschr?nken darf. Im Rahmen dieser Regelungsbefugnis darf r auch Sanktionen gegen gezielte Verkehrsbehinderungen anordnen. Jedenfalls geh?rt zu den grundrechtsbeschr?nkenden und verfassungsrechtlich zul?ssigen Einschr?nkungen die Vorschrift des § 15 VersG, wonach eine Versammlung bei einer unmittelbaren Gef?hrdung der ?ffentlichen Sicherheit aufgel?st w den darf (vgl. dazu BVerfGE a.a.O., S. 352 f.). Eine solche Aufl?sung ist in F?llen der vorliegenden Art. auch dann statthaft, wenn § 15 VersG in der gebotenen Weise im Lichte der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit angewendet wird. Dabei kann davon ausgegangen werden, da? die Versammlungsfreiheit grunds?tzlich die Selbstbestimmung über Art. und, Ort der Veranstaltung umfa?t (BVerfGE a.a.O., S. 343) und insoweit ein Recht zur Mitbenutzung der im Allgemeingebrauch stehenden Stra?e einschlie?t. Auch trifft der Hinweis der Beschwerdeführer zu, da? mit jeder Inanspruchnahme der Versammlungsfreiheit unvermeidbar gewisse n?tigende Wirkungen in Gestalt von Behinderungen verbunden sind, da Dritte am Versammlungsort durch das k?rperliche Verweilen von Demonstranten zwangsl?ufig verdr?ngt werden. Derartige Behinderungen und Zwangswirkungen werden aber nur so weit durch Art. 8 GG gerechtfertigt, wie sie als sozial-ad?quate Neben folge mit rechtm??igen Demonstrationen verbunden durch zumutbare Auflagen nicht vermeide lassen. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn die Behinderung Dritter nicht nur als Neben folge in Kauf genommen, sondern beabsichtigt wird, um die Aufmerksamkeit für das Demonstrationsanliegen zu erh?hen. Insoweit hat der Bundesgerichtshof schon im Laepple-Urteil zutreffend dargelegt, da? die Verfassung zwar breiten Spielraum für ?ffentliche Einflu?nahmen er?ffnet, da? aber niemand befugt sei, die ?ffentliche Aufmerksamkeit durch gezielte und absichtliche Behinderung zu steigern (BGHSt 23, 46 (56 f.)). Dies berechtigt vielmehr die Polizei zum Einschreiten gegen die St?rer und zur Aufl?sung der Versammlung, um den Rechten der behinderten Dritten Geltung zu verschaffen, wenn deren Behinderung über eine Geringfügigkeit hinausgeht. Jedenfalls mit dieser rechtm??igen Aufl?sung, die auch in den vorliegenden F?llen angeordnet worden ist, entf?llt Art. 8 GG als denkbarer Rechtfertigungsgrund für die Durchführung von Sitzblockaden.
b) Diese Sitzblockaden lassen sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des zivilen Ungehorsams als zul?ssige Ausübung staatsbürgerlicher Rechte bewerten.
91 Unter zivilem oder bürgerlichem Ungehorsam wird - im Unterschied zum Widerstandsrecht gegenüber einem Unrechtssystem - ein Widerstehen des Bürgers gegenüber einzelnen gewichtigen staatlichen Entscheidungen verstanden, um einer für verh?ngnisvoll und ethisch illegitim gehaltenen Entscheidung durch demonstrativen, zeichenhaften Protest bis zu aufsehenerregenden Regelverletzungen zu begegnen (vgl. die Denkschrift "Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie", 1985, S. 21 f.). In den Stellungnahmen der Friedens- und Konfliktforschungsinstitute sowie in der Literatur ist ausgeführt worden, da? Anla? zu solchen Aktionen nur eine Angelegenheit von wesentlicher allgemeiner Bedeutung, insbesondere die Abwendung schwerer Gefahren für das Gemeinwesen sein k?nne; dabei gehe es in F?llen der vorliegenden Art. nicht um eine faktische Verhinderung des Protestanlasses, insbesondere nicht um eine effektive L?hmung staatlicher Funktionen, sondern um ein dramatisches Einwirken auf den Proze? der ?ffentlichen Meinungsbildung; kennzeichnend sei stets, da? der Ungehorsam unbedingt gewaltfrei und damit unter Ausschlu? jeden Risikos für andere auszuüben sei, ferner ?ffentlich und demgem?? prinzipiell kalkulierbar und im übrigen zeitlich und ? ich verh?ltnism??ig im Sinne praktischer Konkordanz unter Berücksichtigung der jeweiligen Umst?nde.
Die Respektierung derartiger Aktionen hat der Bundesgerichtshof in der Laepple-Entscheidung als unvereinbar mit den Grundprinzipien des demokratischen Rechtsstaats abgelehnt (BGHSt 23, 46 (56 ff). Dem ist im Schrifttum zugestimmt worden mit der Begründung, ziviler Ungehorsam sei Rechtsbruch, verletze die innerstaatliche Friedenspflicht, versto?e gegen das Prinzip der Gleichheit aller vor dem Gesetz und setze sich über das Mehrheitsprinzip hinweg, das für ein demokratisch verfa?tes Gemeinwesen konstituierend sei (vgl. etwa Karpen, a.a.O. m. w. N.; ferner Isensee, a.a.O.; Doehring, a.a.O.; Engelhard, a.a.O.). Demgegenüber wird seitens der Friedens- und Konfliktforschungsinstitute darauf verwiesen, das Konzept des zivilen Ungehorsams sei in den gereifteren angels?chsischen Demokratien im Bewu?tsein der Unvollkommenheiten des demokratischen Willensbildungsprozesses als eines Prozesses von trial and error entwickelt worden. Die erw?hnte Denkschrift der EKD, die in anderem Zusammenhang entschieden für eine Ethik der Rechtsbefolgung durch Bürger und Amtsinhaber eintritt (a.a.O., S. 21, 24 f.), warnt davor, die Ernsthaftigkeit und Herausforderung, die in Aktionen des zivilen Ungehorsams liege, durch Hinweise auf die Legalit?t und Legitimit?t des parlamentarischen Regierungssystems und seiner Mehrheitsentscheidungen abzutun; auch wenn die Aktionen rechtswidrig seien und den dafür vorgesehenen Sanktionen unterl?gen, seien sie als Anfrage an Inhalt und Form demokratischer Entscheidungen ernst zu nehmen (a.a.O., 5.22).
Im vorliegenden Zusammenhang besteht kein Anla?, auf diese Problematik n?her einzugehen. Ob die erw?hnte strengen Voraussetzungen für Aktionen des zivilen Ungehorsams eingehalten worden sind, ist nach Meinung von vier Richtern für die Prüfung bedeutsam, welche Sanktion angemessen ist und ob eine N?tigungshandlung als verwerflich zu beurteilen ist (vgl. unten III 2 b aa)1. Keinesfalls reicht dies aber aus, um gezielte und bezweckte Verkehrsbehinderungen durch Sitzblockaden als rechtm??ig zu legitimieren und es den staatlichen Organen zu verwehren, sie als ordnungswidrig oder strafbar zu behandeln. Das kann zumindest dann nicht in Betracht kommen, wenn Aktionen des zivilen Ungehorsams wie bei Verkehrsbehinderungen in die Rechte Dritter eingreifen, die ihrerseits unter Verletzung ihres Selbstbestimmungsrechts als Instrument zur Erzwingung ?ffentlicher Aufmerksamkeit benutzt werden. Dabei bliebe zudem au?er acht, da? zum Wesen des zivilen Ungehorsams nach der Meinung seiner Befürworter die Bereitschaft zu symbolischen Regelverletzungen geh?rt, da? er also per definitionen Illegalit?t mit dem Risiko entsprechender Sanktionen einschlie?t als Mittel, auf den ?ffentlichen Willensbildungsproze? einzuwirken. Angesichts dieser Zielrichtung erschiene es widersinnig, den Gesichtspunkt des zivilen Ungehorsams als Rechtfertigungsgrund für Gesetzesverletzungen geltend zu machen. Das haben in der mündlichen Verhandlung auch die Beschwerdeführer zu Recht nicht versucht.
2.
Für die weitere überprüfung der angegriffenen Entscheidungen ist bedeutsam, da? der Gesetzgeber durch die Verwerflichkeitsklausel des § 240 Abs. 2 StGB Vorsorge gegen unangemessene Sanktionen getroffen hat. Diese gesetzgeberische Regelung ist - sofern § 240 StGB auf Sitzblockaden der strittigen Art. angewendet wird - auch verfassungsrechtlich relevant.
a) Durch das tatbestandsregulierende Korrektiv der Verwerflichkeitsklausel hat der Gesetzgeber die Strafbarkeit wegen N?tigung auf Handlungen beschr?nkt, bei denen die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des übels zu dem vom T?ter angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. Diese Klausel ist Ausdruck des Grundsatzes der Verh?ltnism??igkeit, der überm??ige Sanktionen untersagt, und steht in Einklang mit dem Gebot schuldangemessenen Strafens. Auf diese verfassungsrechtlichen Grunds?tze k?nnen sich auch die Teilnehmer von Sitzdemonstrationen berufen. Dabei ist es im Ergebnis ohne Belang, ob als Prüfungsma?stab Art. 8 oder Art. 2 Abs. 1 GG zugrunde zu legen ist. Ein verfassungsrechtlicher Schutz vor unverh?ltnism??igen Sanktionen wird auch dann gew?hrleistet, wenn Art. 2 Abs. 1 GG als Prüfungsma?stab in solchen F?llen herangezogen wird, in denen die rechtm??ige Aufl?sung einer Demonstration zur Unanwendbarkeit es speziellen Grundrechts der Versammlungsfreiheit für diejenigen geführt hat, die als St?rer Anla? zur Aufl?sung gegebene haben (vgl. auch BVerfGE 19, 206 (215 f., 225)).
Das Gebot schuldangemessenen Strafens hat das Bundesverfassungsgericht schon in früheren Entscheidungen als verfassungsrechtliche Pflicht der staatlichen Organe herausgearbeitet. Danach folgt aus den allgemeinen Prinzipien des Grundgesetzes, da? die angedrohte Sanktion im gerechten Verh?ltnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des T?ters stehen mu? (BVerfGE 6, 389 (439); St. Rspr.). Insoweit deckt sich der Schuldgrundsatz in seinen die Strafe begrenzenden Auswirkungen mit dem überma?verbot (BVerfGE 50, 205 (215)). Demgem?? hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt geprüft, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Strafandrohung mit diesem Verbot vereinbar ist oder ob sie gegen das verfassungsrechtliche Gebot des sinn- und ma?vollen Strafens verst??t (vgl. BVerfGE 45, 187 (253 ff.); 64, 261 (270 f.)).
Zur Vermeidung unverh?ltnism??iger Sanktionen wird es in der Regel genügen, da? der Gesetzgeber dem Richter die Verh?ngung schuldangemessener Strafen innerhalb eines entsprechenden Strafrahmens bei der Strafzumessung erm?glicht. Davon kann namentlich dort ausgegangen werden, wo der Deliktstatbestand pr?zise unzweifelhaft strafwürdiges Unrecht umschreibt und die Strafe nur noch vom Ma? der individuellen Schuld im Einzelfall abh?ngt. Die M?glichkeit zur Verh?ngung milder Strafen würde aber dann nicht ohne weiteres genügen, wenn die weite Fassung eines Straftatbestandes zur Folge h?tte, da? auch solche Verhaltensweisen p?nalisiert würden, für welche die angedrohte Sanktion nach Art. und Ma? unverh?ltnism??ig w?re. Diese Gefahr hat der Gesetzgeber gerade auch beim Schutz der Willensentschlie?ungs- und Willensbet?tigungsfreiheit durch den N?tigungstatbestand erkannt, der in seiner Weite mancherlei h?chst unterschiedliche Verhaltensweisen erfa?t, vom schweren kriminellen Unrecht bis hin zu rechtm??igen Behinderungen, die erst mit Hilfe der Verwerflichkeitsklausel des Absatzes 2 aus dem Geltungsbereich des § 240 StGB ausgeschieden werden. Zur Sicherung sinn- und ma?vollen Strafens gewinnt diese Klausel erh?hte Bedeutung, wenn der Anwendungsbereich der Gewaltalternative des § 240 StGB durch Ausweitung des Gewaltbegriffs ?hnlich korrekturbedürftig wird wie derjenige der Drohungsalternative nach deren Neufassung im Jahre 1943.
Hat aber der Gesetzgeber im Gefolge verfassungsrechtlicher Ge- und Verbote ein Korrektiv zur Begrenzung der Strafbarkeit eingeführt, dann darf der an Gesetz und Recht gebundene Richter diese Regelung nicht unterlaufen (vgl. auch BVerfGE 49, 304 (320)). Dies geschieht, wenn die Gerichte der Feststellung, da? die Teilnehmer einer Sitzblockade den Tatbestand n?tigender Gewalt erfüllt haben, zugleich eine Indizwirkung für die Bewertung als rechtswidrig beimessen und damit die Verwerflichkeitsklausel praktisch gegenstandslos machen. Der Bundesgerichtshof hatte dies im Laepple-Urteil (BGHSt 23, 46 (54 f.)) damit begründet, da? der Absatz 2 des § 240 StGB erst durch die tatbestandliche Erweiterung des Absatzes 1 notwendig geworden sei, da? diese nur die Drohungsalternative betroffen habe und da? bei Gewaltanwendung nur besondere Umst?nde das Verwerflichkeitsurteil ausschlie?en k?nnen. Die Annahme einer solchen Indizwirkung erscheint aber nur dann vertretbar, wenn Gewalt im Sinne der früheren Rechtsprechung des Reichsgerichts ausgeübt und damit ein Delikt begangen wird, das in aller Regel als rechtswidrig gelten kann. Wird der Gewaltbegriff hingegen entmaterialisiert" und bis hin zu psychischen Zwangswirkungen erstreckt, dann fehlt j er innere Grund dafür, bei der Anwendung der Strafnorm die gesetzlich als Korrektiv vorgesehene Verwerflichkeitsklausel au?er acht zu lassen. Gerade im Falle einer solchen Erweiterung ist eine Abw?gung unter Berücksichtigung aller U st?nde ebenso unerl??lich wie bei der Drohungsalternative. Wenn sich der Richter hier damit begnügt, ein entsprechendes Verhalten als Gewalt zu qualifizieren und sodann die Verwerflichkeit mit der Begründung zu bejahen, Gewaltanwendung sei in aller Regel verwerflich und indiziere daher die Rechtswidrigkeit, dann wird die erforderliche wirklichkeitsnahe Würdigung einer konkreten Tat in unstatthafter Weise durch semantische Abstraktionen ersetzt.
Diese Auffassung hat sich inzwischen auch der Bundesgerichtshof unter Abwendung vom Laepple-Urteil im Beschlu? vom 24. April 1986 (NJW 1986, S. 1883) zu eigen gemacht. Danach ist die Verwerflichkeitsklausel des § 240 Abs. 2 StGB Ausdruck der Erkenntnis, da? sich im Einzelfall die Grenzen des vom Gesetz geschützten Freiheitsraums erst ergeben k?nnten, wenn N?tigungsmittel und N?tigungszweck zueinander in Beziehung gesetzt würden. Erforderlich sei daher in Erfassung aller für die Mittel-Zweck-Relation wesentlichen Umst?nde und Beziehungen eine Abw?gung der auf dem Spiel stehenden Rechte, Güter und Interessen nach ihrem Gewicht in der sie betreffenden Situation. Das gelte namentlich in F?llen, in denen der T?ter mit nur geringem k?rperlichen Kraftaufwand einen psychisch determinierten Proze? in Lauf gesetzt habe. Demgem?? sei der Umstand, da? Demonstranten die von ihnen verursachte Verkehrsbehinderung von vornherein bezweckt h?tten, nicht stets eine hinreichende Bedingung für das Verwerflichkeitsurteil. Diesen Erw?gungen ist zuzustimmen mit der Ma?gabe, da? die Verwerflichkeitsklausel im Falle der Erstreckung des Gewaltbegriffs auf Sitzdemonstrationen der vorliegenden Art. nicht nur im Rahmen der Anwendung des einfachen Rechts herangezogen werden kann, sondern aus verfassungsrechtlichen Gründen herangezogen werden m u ? (vgl. auch Eser, a.a.O., Vorbem. §§ 234 ff. Rdnr. 10; Brohm, a.a.O., S. 505; Kostaras, a.a.O., S. 173; wohl auch Wolter, a.a.O., S. 247 und 249; ferner Janknecht, Verfassungs- und strafrechtliche Fragen zu "Sitzstreiks", GA, 1969, S. 33 (37)).
Eine derartige verfassungskonforme Auslegung und Anwendung des § 240 StGB ist bei der Entscheidung über die Aktion in Neu-Ulm im Falle des Beschwerdeführers zu 6) unterblieben. Gerade hier h?tte Anla? zu einer n?heren Prüfung bestanden, ob die Teilnehmer der Sitzdemonstration verwerflich gehandelt haben. Nach den Feststellungen des Strafgerichts hatte der Beschwerdeführer bis zur polizeilichen R?umung der Zufahrt lediglich über einen Zeitraum von wenigen Minuten vor dem Haupteingangstor der Kaserne gesessen; ein Fahrzeug war tats?chlich nicht behindert worden, da der zust?ndige amerikanische Offizier schon vor der Demonstration Ma?nahmen zur Verkehrsabwicklung getroffen und empfohlen hatte, das Haupttor nicht zu benutzen. Im Zusammenhang mit der Strafzumessung führt das Gericht selbst aus, da? die Gewaltanwendung an der untersten Grenze gelegen und zu keinen empfindlichen Einschr?nkungen für den Kasernenbetrieb geführt habe; der vom Beschwerdeführer erstrebte Zweck, die Bev?lkerung eindringlich auf Gefahren und Folgen der atomaren Rüstung und der Raketenstationierung hinzuweisen, sei achtenswert und für sich gesehen nicht verwerflich. Gleichwohl begnügt es sich mit der Aussage, die Anwendung des Mittels der Gewalt zu dem erstrebten Zweck sei verwerflich; es bewertet also - zwar nicht ausdrücklich, wohl aber im Ergebnis - die Gewaltanwendung als indiziell für die Rechtswidrigkeit. Soweit das Gericht auf die n?heren Umst?nde (Durchführung am Ostersonntag und damit an einem Tag mit wenig Dienstbetrieb, geringe Dauer und Intensit?t der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichm?glichkeiten über andere Zufahrten und demgem?? lediglich wirken eines Zwanges zum Umweg, und zwar im wesentlichen für Personen mit einem besonderen Sachbezug zum Protestgegenstand) überhaupt eingeht, geschieht das nicht zur Prüfung der Verwerflichkeit, sondern erst bei der Strafzumessung. Da schon aus diesen Gründen das Strafurteil gegen den Beschwerdeführer zu 6) sowie die Verwerfung seiner Revision aufgehoben werden mu?ten, erübrigt sich ein Eingehen auf d von diesem Beschwerdeführer erhobenen sonstigen Rügen.
b) In einigen d von den anderen Beschwerdeführern angegriffenen Entscheidungen wird zwar ebenfalls die indizielle Bedeutung der Gewaltanwendung für die Rechtswidrigkeit erw?hnt; dar f beruht indessen die Bestrafung nicht, da die Gerichte zus?tzlich die Verwerflichkeitsklausel unter Er?rterung der n?heren Umst?nde angewendet haben, mag dies auch in einigen F?llen nicht mit der wünschenswerten Klarheit zum Ausdruck gekommen sein. Die anderen Entscheidungen k?nnten daher verfassungsrechtlich nur aus sonstigen Gründen beanstandet werden. Insoweit kann indessen ein Versto? gegen das Grundgesetz infolge Stimmengleichheit nicht festgestellt werden.
aa) Wird bei der Anwendung der Verwerflichkeitsklausel in d gebotenen Weise auf die n?heren Umst?nde abgestellt, dann dürfen dabei nach Ansicht von vier Richtern die von den Demonstranten verfolgten Ziele nicht au?er acht bleiben. Zwar kommt s bei der Abw?gung von Gewaltanwendung und verfolgtem Zweck zun?chst auf die N?tigungsfolgen, n?mlich auf die durch die Sitzblockaden verursachten Behinderungen an. Diese lassen sich aber nicht isoliert betrachten, da sie für sich allein überhaupt nicht stattgefunden h?tten, sondern nur als unselbst?ndige Zwischenschritte zur Erreichung der eigentlichen Demonstrationsziele dienen, n?mlich des unmittelbaren N?tigungsziels (Erzwingung erh?hter Aufmerksamkeit für Meinungs?u?erungen) und des Fernziels (Protest gegen die als gef?hrlich beurteilte atomare Aufrüstung). Entgegen der in einigen Ausgangsverfahren vertretenen Ansicht k?nnen sich die Gerichte einer Berücksichtigung auch dieses Fernziels nicht mit der Begründung entziehen, sie dürften keine Meinungen bewerten. Die Problematik ist hier nicht grunds?tzlich anders als bei Auseinandersetzungen um die Verletzung der Meinungsfreiheit. Au dort steht dem Richter kein Urteil darüber zu, ob die vertretene Meinung richtig oder falsch ist. Jedoch kommt der Meinungsfreiheit im Konfliktsfall nach st?ndiger Rechtsprechung u so gr??eres Gewicht zu, je weniger es sich um unmittelbar gegen ein privates Rechts gut gerichtete ?u?erungen im privaten, namentlich im wirtschaftlichen Verkehr und in Verfolgung eigennütziger Zwecke und je mehr es sich um einen Beitrag zum Meinungskampf in einer die ?ffentlichkeit wesentlich berühre en Frage handelt (vgl. BVerfGE 66, 116 (139) m.w.N.). Das mu? auch und erst recht für die Prüfung gelten, ob eine N?tigungshandlung als verwerflich zu mi?billigen ist. Hier werde die der Verwerflichkeitsklausel inh?renten Grunds?tze der Verh?ltnism??igkeit und des schuldangemessenen Strafens verletzt, wenn der Richter die Augen vor dem wesentlichen Unterschied zwischen eigennützigem und gemeinwohlorientiertem Handeln verschlie?t. Wenn der Gesetzgeber die Strafbarkeit in § 240 Abs. 2 StGB von sittlichen Wertungen abh?ngig macht, dann darf der Richter bei der konkreten Abw?gung den eigentlichen Anla? und das alleinige Motiv der Tat als einen der widrigsten Umst?nde für eine solche Wertung nicht au?er acht lassen.
Wird in der sonach gebotenen Weise unter Berücksichtigung aller Umst?nde auch das Demonstrationsziel in die Abw?gung einbezogen, dann führt eine am Grundsatz der Verh?ltnism??igkeit orientierte verfassungskonforme Anwendung des § 240 StGB nach Ansicht dieser vier Richter dazu, da? die Strafgerichte Handlungen der vorliegenden Art. in der Regel nicht als verwerfliche N?tigung qualifizieren dürfen, sofern nicht erschwerende Umst?nde (z. B. Behinderung von Krankentransporten, Einkesseln Dritter oder andere besonders intensive Behinderungen) hinzutreten. Das mu? jedenfalls gelten, wenn und soweit die erw?hnten strengen Voraussetzungen für zivilen Ungehorsam eingehalten werden und wenn die Verwerflichkeitsklausel im Licht der grundlegenden Bedeutung des Art. 8 GG ausgelegt und angewendet wird. Von kriminell motivierten N?tigungen unterscheiden sich die hier zu beurteilenden Sitzblock den bereits dadurch charakteristisch, da? die Teilnehmer - wie erw?hnt - nicht eigennützig handeln und da? ihre Gewaltanwendung - sofern die Aktionen überhaupt als N?tigung dem Mittel der Gewaltanwendung beurteilt werden k?nnen an der untersten Grenze bleibt; teils wird die F?higkeit z "Gewaltfreiheit" eigens in Bezugsgruppen trainiert. Kennzeichnend ist ferner, da? die Aktionen Angelegenheiten von wesentlicher allgemeiner Bedeutung und nicht blo?e gruppenspezifische oder finanzielle Interessen zum Gegenstand haben, da? sie sich nach vorheriger Ankündigung in aller ?ffentlichkeit abspielen, da? die Teilnehmer im Proze? der ?ffentlichen Meinungsbildung durch symbolische Handlungen im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung beziehen wollen und nicht - wie etwa bei Lkw-Blockaden an Grenzüberg?ngen oder bei den Frankfurter Theaterbesetzungen - eine effektive Zwangswirkung auf einen Entscheidungstr?ger anstreben und da? sie ein polizeiliches Eingreifen widerstandslos über sich ergehe lassen. Werden diese Anforderungen eingehalten und bleibt die Verkehrsbehinderung nach Dauer und Intensit?t in ertr?glichen Grenzen, dann kann der blo?e Umstand, da? die Behinderung als Mittel zum aufkl?renden Protest beabsichtigt und nicht als blo?e unvermeidbare Neben folge in Kauf genommen wird, nicht ausreichen, um eine Sitzblockade nicht allein als aufl?sbar anzusehen, sondern sogar als verwerfliche N?tigung zu mi?billigen (vgl. auch BGHSt 18, 389 (392) - für Behinderungen beim überholen). Demgem?? mü?ten nach Meinung der vier Richter alle Verfassungsbeschwerden zur Zurückverweisung der Sachen an die Strafgerichte führen, damit diese die ihnen obliegende Prüfung nachholen, ob jeweils ein Regelfall vorliegt oder ob die Verwerflichkeit wegen besonderer Umst?nde ausnahmsweise zu bejahen ist.
bb) Eine Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen hat jedoch zu unterbleiben, da diese nach der für das Urteil ma?gebenden Meinung der vier anderen Richter verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind. Diese Richter gehen von der st?ndigen Rechtsprechung aus, da? Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Vorschrift n des einfachen Rechts grunds?tzlich Sache der dafür allgemein zust?ndigen Gerichte sind und verfassungsgerichtlich nur auf Auslegungsfehler zu überprüfen sind, die auf einer grunds?tzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für en konkreten Rechtsstreit von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 18, 85 (92 f.); 42, 143 (148 f.); 66, 116 (131)). Ein derartiger verfassungsrechtlich erheblicher Fehler liegt zwar s den bereits er?rterten Gründen vor, wenn die Strafgerichte Falle der Erstreckung des Gewaltbegriffs auf Sitzdemonstrationen der vorliegenden Art. die Verwerflichkeitsklausel überhaupt ungeprüft lassen und sich damit begnügen, die Gewaltanwendung als indiziell für die Verwerflichkeit zu beurteilen. Die mit der Anwendung der Verwerflichkeitsklausel verbundene Berücksichtigung aller Umst?nde geh?rt hingegen zu den typischen Aufgaben, die den Fachgerichten bei der Entscheidung dem jeweiligen Falles obliegen. Das Bundesverfassungsgericht kann, den Strafgerichten insoweit keine bestimmte Abw?gung vorschreiben.
Nach Ansicht dieser vier Richter l??t die strafgerichtliche Würdigung dieser Umst?nde in den angegriffenen Entscheidungen keine verfassungsrechtlich relevanten Fehler erkennen. Ob die Anwendung der Verwerflichkeitsklausel durch die Strafgerichte in dem einen oder anderen Fall zu Ergebnissen geführt hat, über deren Richtigkeit sich streiten l??t, kann dahingestellt bleiben, da dies für ein verfassungsgerichtliches Eingreifen nicht ausreichen würde. Jedenfalls ist der Strafrichter bei r Verwerflichkeitsprüfung von Verfassungs wegen nicht gelten die Fernziele der Demonstranten zu berücksichtigen. Dem Grundsatz der Verh?ltnism??igkeit und dem Gebot schuldangemessenen Strafens wird vielmehr auch durch eine Einbeziehung der Fernziele und Tatmotive in die Strafzumessung Genüge getan, wie das in den angegriffenen Entscheidungen geschehen ist und zu niedrigen Strafen geführt hat.
IV.
Nach alledem war lediglich der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 6) stattzugeben. Den anderen mu?te der Erfolg versagt bleiben, da infolge Stimmengleichheit weder bei der Prüfung am Ma?stab des Art. 103 Abs. 2 GG noch bei der Auslegung und Anwendung der Verwerflichkeitsklausel ein Versto? gegen das Grundgesetz festgestellt werden konnte und sonstige Grundrechtsverletzungen nicht erkennbar sind.